2.

[105] Der Traum der keuschen Liebe,

Längst ist er ausgeträumt,

Es tanzen und toben die Nerven,

Das Blut zum Hirne schäumt;

Es bricht sich in wilden Kaskaden

Am Herzen, verdorrt und versteint,

Das seine verbissenen Qualen

Verschüttet und ausgeweint.

Ich will meine Zähne vergraben

In Deinem knirschenden Haar,

Im Blutrausch will ich vergessen,

Daß ich ein Anderer war.

Ich weiß, Du kannst genießen,

Unfaßbar, riesenhaft stark,

Wohlan, so genieß' mich, Lucia –

Es schreit nach Fäulnis mein Mark.


Quelle:
Felix Dörmann: Neurotica, München und Leipzig 1914, S. 105.
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