Julinacht

[117] Die Mondeslichter rinnen

Aus sterndurchsprengtem Raum

Zur regungslosen Erde,

Die müde atmet kaum.


Wie schlummertrunken schweigen

Die Linden rund umher,

Des Rauschens müde, neigen

Herab sie blütenschwer.


Nur manchmal, traumhaft leise,

Rauscht auf der Wipfel Lied,

Wenn schaurig durchs Geäste

Ein kühler Nachthauch zieht.


Mein Herz ist ruh-umfangen,

Ist weltvergessen still,

Kein Sehnen und Verlangen

Die Brust bewegen will.


Nur manchmal, traumhaft leise,

Durchzieht der alte Schmerz,

Wie Nachtwind durchs Geäste,

Das müdgeliebte Herz.

Quelle:
Felix Dörmann: Neurotica, München und Leipzig 1914, S. 117-118.
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