Menschenleben

[120] Ein schrankenloses Sehnen und Verlangen,

Ein stetes Suchen und ein stetes Meiden,

Ein hoffnungsfreudiges Erwartungsbangen,

Und dann aufs neue der Enttäuschung Leiden,

Ein zornig-wildes Rütteln an den Ketten,

Ein heißer Fluch den namenlosen Plagen,

Ein Klageheulen auf den Marterstätten –

Und stumpfergebnes Wiederweitertragen.

Ein Sinnenrausch anstatt der echten Liebe,

Und doch nach ihr ein atemloses Streben,

Und Graus und Ekel vor dem Weltgetriebe –

Das gibt den Inhalt für ein Menschenleben.


Quelle:
Felix Dörmann: Neurotica, München und Leipzig 1914, S. 120-121.
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