Was ich liebe

[21] Ich liebe die hektischen, schlanken

Narzissen mit blutrothem Mund;

Ich liebe die Qualengedanken,

Die Herzen zerstochen und wund;


Ich liebe die Fahlen und Bleichen,

Die Frauen mit müdem Gesicht,

Aus welchen in flammenden Zeichen,

Verzehrende Sinnenglut spricht;


Ich liebe die schillernden Schlangen,

So schmiegsam und biegsam und kühl:

Ich liebe die klagenden, bangen,

Die Lieder von Todesgefühl;


Ich liebe die herzlosen, grünen

Smaragde vor jedem Gestein;

Ich liebe die gelblichen Dünen

Im bläulichen Mondenschein;[22]


Ich liebe die glutendurchtränkten,

Die Düfte, berauschend und schwer;

Die Wolken, die blitzedurchsengten,

Das graue wuthschäumende Meer;


Ich liebe, was niemand erlesen,

Was keinem zu lieben gelang:

Mein eigenes, urinnerstes Wesen

Und alles, was seltsam und krank.

Quelle:
Felix Dörmann: Sensationen, Wien 1897, S. 21-23.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sensationen
Sensationen (German Edition)