[Fahr fort, mein Spiel, zu singen]

Fahr fort, mein Spiel, zu singen

Des armen Lebens Pein,

Vnd laß den Thon nun dringen

Auch bis zu Churland ein,

Vnd wilst du Grahm empfinden,

Daß du nur klagen must,

Weil alle Sachen schwinden,

Was ist der Wort-Verlust?


Was werd ich endlich machen?

Ich bin Gedancken voll,

Ob Weinen oder Lachen

Auff dieses Elend soll,

Ich zürn', ich schelt', ich wüte,

Bald bin ich Sorgen lohß,

Bald Zaghafft im Gemüte,

Das Leid ist gar zu groß.


Wir machen vns zu schaffen,

Der hat sein Hertz gewandt

Viel Gut an sich zu raffen,

Fährt vber See vnd Landt,

Der strebt nach Rhum auff Erden,

Der strebt nach stoltzem Pracht,

Der sucht gelehrt zu werden,

Ist embsig Tag vnd Nacht.


Der liebt den Krieg für allen,

Vnd hat an Feld-geschrey

Vnd Schlachten nur gefallen,

Der lebet Sorgen-frey,

Vnd bricht an stat der Lantzen

Nur Gläser vmb den Wein,

Wil fort vnd fort nur tantzen

Vnd gern geliebet seyn.
[142]

Ach aber wie vergebens

Ist alles vmb vnd an!

Die grosse Müh des Lebens

Wird nur vmbsonst gethan,

Beseh' ich sie beim Liechten,

Glück, Fälle, Todt vnd Zeit

Bringt, was wir thun vnd tichten,

In die Vergessenheit.


Wo ist doch deine Tugend,

HochEdler Capitäin?

Wo deine strenge Jugend,

Die nie pflag faul zu seyn?

Dieweil man jhr gedencket,

Ob dieses etwas macht,

Sonst wirst du eingesencket,

Vnd schläffst die lange Nacht.


Du wahrst hoch Edlen Standes,

Der Eltern Lust vnd Rhue,

Ein Preiß des Vater-landes,

An Jahren nahmst du zu,

Doch mehr an Weisheit-Schätzen,

Die keinen müssig hält,

Sie muste dich ergetzen,

Vnd trieb dich in die Welt.


Die Saal' hat dir geschencket

Der beyder Rechten Gunst,

Die Warnaw dich geträncket

Mit Strömen gutter Kunst,

Du bist nach Leipzig kommen,

Vnd hast die Reise nicht

Von dannen weg genommen

Ohn reichen Vntterricht.


Vnd stets bey Büchern liegen

Ist nicht was allezeit

Den Adel kan begnügen,

Er fordert auch den Streit:

Du hast, wie dir befohlen,

Auch diesfals Ruhm gesucht,

Drumb nahm dich Mars in Pohlen

Erst vntter seine Zucht.


Wie wol du hie geritten,

Wie frey du auff die Schaar

Der wilden Moscowitten

Gesetzt, ist offenbahr,

Du dich auch lassen werben

Auch Käyserliche Macht,

Vnd Lob, das nicht wird sterben,

Von Clempenaw gebracht.


Denn bist du zugezogen

Dem Schweden, dessen Kunst

Zu kriegen dich bewogen,

Auch hie erhieltst du Gunst,

Daß Ruhm vnd Ansehn kahmen

Durch deinen Glimpff vnd Raht,

Wahrst Capitain mit Nahmen

Vnd Obrister mit That.


Du hattest deinem Glücke

Zu folgen mehr Begier,

Giengst aber stracks zurücke,

Die Eltern rufften dir,

Den Muth, den nichts bezwungen,

Der tapffer durch Verdrus

Vnd allen Sturm gedrungen,

Bezwang der Eltern Schlus.


Du kömpst mit Frewden wieder,

Wirst jhnen vntterthan,

Legst deine Waffen nieder,

Vnd greiffst die Wirtschafft an.

Nun dich sol Ruh vmbgeben,

Nun du solst ohn Gefahr

Erreichen Nestors Leben,

So liegst du auff der Bahr,


In deiner besten Blüte,

Als manches edles Bild

Mit Hoffnung jhr Gemüte

Von deiner Gunst gestillt.

Wo ist dein Schweiß hinkommen?

Was hat dein Helden-Sinn,

Die Streitbahn' Handt für frommen?

Der Todt ist jhr Gewinn.
[143]

Wie wol vnd auserlesen

Dein Leib sich vormals trug,

So mus er jetzt verwesen,

Ein Kittel ist dir gnug.

Schön ist dein Krantz zu schawen,

Vnd weis doch keinen Raht

Für dieses, daß man Grawen

Für deiner Leichen hat.


Hat dich nun dessent wegen

Dein Vater ausgesandt,

Vnd von des Höchsten Segen

So viel auff dich gewandt?

Du soltest Ihm erst haben

Die Augen zugedrückt,

Vnd er mus dich begraben,

Du wist voran geschickt.


Fällst nach der Mutter nieder,

Wer hette dies gedacht,

Als Ihr Euch, Ihr drey Brüder,

Nach Liebaw auffgemacht,

Euch freundlich da zu sprechen?

Der Todt ist mit gewest,

Der nirgends kan gebrechen,

Vnd giebet dir den Rest.


Ist dieß nicht zu beweinen?

Wie kränckt dein Vater sich

Sampt allen lieben Deinen?

Wie sehr beklagt man dich?

Was aber haben Thränen

Doch diesfalls für Gewinn

Vnd die sich nach dir sehnen?

Du bist, vnd bleibest, hin.


Dies ist die Flucht der dinge,

Dies ist die schnöde Welt,

So ich fast täglich singe,

Was irgends lebet, fällt

Wenn seine Stund ist kommen.

Ein Kind ist nicht befreyt,

Wir werden hingenommen

Ohn allen Vnterscheidt.


Prangt jetzt das Feld mit Aehren,

Der Stock mit edlem Wein',

Es wird nicht lang hin wehren,

Das beydes kahl wird seyn:

Laß jetzt die Bäume tragen

Schön Obs, die Wiesen Klee,

Bald in den Winters-Tagen

Ist alles Frost vnd Schnee.


Es stirbt was nur beginnet,

Dies ist vnd bleibet wahr,

Der Wurm, der Seide spinnet,

Lebt nicht ein volles Jahr.

Wir müssen sämptlich eilen

Auff dem gemeinen Zweck,

Der pflegt sich zu verweilen,

Der macht sich zeitig wegk.


Vnd wer ist alt zu nennen?

Nicht der viel Jahre zehlt,

Der Gott vnd sich kan kennen,

Des Alter ist erwehlt,

Die rechten grawen Haare

Sind, daß man Sünden-frey

In Vnschuld sich bewahre

Vnd Gott gefellig sey.


Wenn wir dich so betrachten

So bist, du edles Blut,

Für einen Greiß zu achten,

Das zeugt dein frommer Muth,

Der sich dan (als ich höre)

In diesem hat eräugt,

Daß du Pflicht, Lieb' vnd Ehre

Den Eltern hast erzeigt.


Des Alten Vaters pflegen,

Ihm seinen Witwen-Standt

Erleichtern allerwegen,

Ihm seyn die rechte Handt

War was du gantz beschlossen,

Doch liebst du Gott voraus,

Vnd wahrest vnverdrossen

Zu bawen jhm ein Hauß.
[144]

Das PredigAmpt wird zeugen,

Wie wehrt du es gehabt,

Des Armuts zu geschweigen,

Das du sehr wol begabt.

Dies alles wird Gott preisen

Vor seiner Engel Schaar,

Wird dir viel Gunst erweisen,

Dich lieben immerdar.


Wer solcher Art kan sterben,

Mus für die schnöde Zeit,

Für Welt vnd Noht erwerben

Den Standt der Ewigheit.

Sey seelig! wir hie nieden,

Stehn zwischen Trost vnd Pein,

Bis wir auch abgeschieden

Vnd sämptlich bey dir seyn.

Quelle:
Simon Dach: Gedichte, Band 3, Halle a.d.S. 1937, S. 140-145.
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