[Sind wir denn noch nicht gnug]

Sind wir denn noch nicht gnug

Die Zeit her mit genommen?

Wenn werden wir doch klug

Den Straffen zu entkommen?

Es sind drey volle Jahr

Seit uns der Krieg zerrissen,

Da Drangsal und Gefahr

Vns grawsam hart geschmissen.


Die Pest hat uns verheert,

Das Vieh ist uns gestorben,

Mars hat das auffgezehrt

Was wir durch Müh erworben,

Der Himmel ist uns feind,

Daher das Liecht der Sonnen,

Das uns so selten scheint,

Nur Thränen hat gewonnen:


Die Gerste reiffet nicht,

Kein Sommer ist gewesen,

Ist, nun der Herbst anbricht,

Noch erstlich ein zu lesen,

Selbst die Natur wird laß

Vnd misset Hertz und Hände,

Jetzt ist es all zu naß,

Itzt stürmet es ohn ende.


Vnd kömpt der Segen ein,

Wer weis wer ihn verzeeret,

Die Wild' ist noch nicht rein,

Keydan itzt auch verheeret,

Das arme LandVolck fleucht

Zu Vns mit Furcht und Schrecken,

Wie, wann der Habicht zeucht,

Die Tauben sich verstecken.


Für dieser Nachbarschafft

Hat mir allzeit gegrawet,

Kein Leben keine Krafft

Wird schier in mir gechawet,

Gedenck ich nur daran.

Lasst keinen Fried euch träwmen,

Kein guttes, eh und wan

Sie nicht die Grentzen räumen.


Von jenem andern Heer

Wil ich nicht einmal sagen

Das ietzt zu Land und Meer

Bekrieget Coppenhagen:

O eine grosse Noht,

Darinn wir alle schweben,

Gefängnis Trübsal Tod

Die stehn nach unserm Leben.


Vnd wir in dieser Stad

Wir können uns noch brüsten,

Sind übrig fett und satt

Von Hoffart und von Lüsten.

Wir schlummern, druckt das Joch

Vns gleich von allen seiten,

Als wären bey uns noch

Es lauter güldne Zeiten.


O flieht' mit aller Macht

Das Gold und das Geschmeide

Die Leinen-Flieger Tracht,

Vnd geht im Bettel-Kleide,

Für allen wenn ihr nun

Vor ewren Gott wollt tretten,

Ihm einen Fußfall thun

Mit Thränen und Gebehten.
[460]

Vieleicht wird er bewegt

Vns Gnade zu gewehren,

Als der erbarmen trägt

So bald wir uns bekehren:

Wer aber dieses thut

Der hat sich nicht zu kräncken

Wenn auch der Hellen Glut

Ihn woltte gar erträncken.


Denn seine Zuversicht

Ist Gott in allen Nöhten,

Der lässt die Seinen nicht

Auch scheint er sie zu tödten,

Ja er nimmt ihrer war

Wie Daniels Gesellen,

Der keinem nicht ein Har

Versengt ward in der Hellen.


Der weis sich ewer auch,

Fraw, trewlich anzumassen

Seyd ihr nach Glaubens brauch

Ihm gantz und gar gelassen:

War ist es, dieser Zeit

Ach! umb den Haußwirth kommen

Ist nicht geringes Leid,

Ihr Schutz wird ihr genommen.


Allein ist Gott nicht mehr?

Ihr habt euch vor zu schawen

Damit ihr nicht zu sehr

Auff Fleisch setzt das Vertrawen.

Den Meinen sag ich offt

Wenn Kranckheit mich befallen:

Gott sey, auff den ihr hofft,

Ergebt euch dem für allen.


Nicht führet umb mich Pein

Sterb' ich heut oder morgen,

Ihm bleibt die Ehr' allein

Euch besser zu versorgen,

Auff mich nur sehen, heisst

Auff Menschen sich verlassen,

Das uns des Herren Geist

Verbohten aller massen.

Quelle:
Simon Dach: Gedichte, Band 4, Halle a.d.S. 1938, S. 443-444,460-461.
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