Petrus redet alle arme Sünder an, wegen erlangter Vergebung seiner Verleugnung Christi

[58] Wer wegen seiner Sünden

Zum Herren Christo sich

Mit Glauben nicht darff finden,

Der komm vnd schawe mich!

Ich Petrus bin gewesen

In solcher Missethat,

Als nirgends wird gelesen,

Vnd sieh, ich finde Raht:


Ich habe Nein gesaget

Vnd Warheit sehr gespart,

Als ich vmb Ihn gefraget

Vnd hart besprochen ward:

Ich schwur mit falscher Zungen,

Als man mit Vngestümm

Vnd Macht in mich gedrungen,

Ich wüste nichts von Ihm.


Solt ich von Dem nicht wissen,

An dessen Wort es hieng,

Daß mir die Netze rissen

Von Fischen, die ich fieng?

Der an sich mich gezogen,

Mich Wunder lassen sehn,

Die auff den Wasserwogen

Durch seine Krafft geschehn?


Von dem ich selbst bekennet

Er wehre Gottes Sohn,

Dem ewig bleibt benennet

Des Vaters Krafft vnd Thron?

Der manche schöne Stunde

Die Seele mir durchnam,

Wenn auß dem süssen Munde

Ihm manche Predigt kam.


Ich habe gantz kein Leben,

Die Sonne kenn ich nicht,

Die Zunge bleibt mir kleben,

Der Geist in mir gebricht,

Bedenck ich mein Gebrechen,

Die vnerhörte That,

Das Sinnen-lose Sprechen

Das Ihn verleugnet hat.
[58]

Noch dennoch find ich Gnade

Für alle meine Schuld,

Mein mächtig grosser Schade

Hat doch bey Ihm Gedult:

Der Herr ist kaum erstanden,

Mir wird es angesagt,

Die Gnade sey verhanden

Auff alles, was mich plagt.


Was wil das Wort mir schencken:

Geht, sagt es Petro an?

Er wil nicht mehr gedencken

An das, so ich gethan;

Er rufft mich Ihn zu finden

Ins Galileer-Land,

Daß Tilgung meinen Sünden

Ja würde zugewandt.


Die Ihr nun auch mit Schulden

Sehr gröblich seyd befleckt,

Vnd spricht: Wie kan Gott dulden

Worinn ich mich gesteckt?

Es ist zu sehr versehen,

Die Sünd ist gar zu groß!

Wie wird mir doch geschehen?

Ich werd jhr nimmer loß.


Lasst mich ein Beyspiel werden,

Daß niemand, ob er wol

Gesündigt viel auff Erden,

Darumb verzagen sol!

Der gnädig mir gewesen,

Wird gnädig dir auch seyn,

Du wirst, wie ich, genesen

Von aller Noht vnd Pein.


Nicht daß du auff die Güte

Solt leben, wie du wilt;

Schaw, daß dich Recht behüte,

Gott-fürchten sey dein Schild,

Ob Sünden dich denn haben

Bethört durch schnöden Lauff;

Was Christus hat vergraben,

Das scharre du nicht auff.

Quelle:
Simon Dach: Gedichte, Band 3, Halle a.d.S. 1937, S. 58-59.
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