An Johann Jordan Churfl. Br. Pr. Cammerschreiber

29. Nov. 1646.


Herr Jordan, ich bin anders dir

Von Jugend auff bekant gewesen,

Vnd hast du irgend waß von mir,

Daß lobenswerth mag seyn, gelesen,

Vnd meinest, daß ich würdig sey,

Dem man erweise Lieb vnd Trew,

So laß mich dessen ietzt geniessen,

Thu, waß du mir gethan vorhin,

Daß, weil ich hier im Leben bin,

Ich nicht werd auß dem Hertzen schliessen.


Gott segne hiervor stets dein Hauß!

Es wisse nichts von Noht und Schanden,

Nur hilff auch ietzt mir Armen auß,

Wo Mittel droben sind verhanden:

Ich weiß gewiß, es werde mein

Bey dir auch nicht vergessen seyn,

Es ist an Geldern nur gelegen,

Der Mangel, leider! ist zu groß,

Sonst schafftest du mir Raht, auch bloß

Des frommen Adam Öders wegen.


Wie ist doch alles vmbgewandt!

Mir wirdt erzehlt von alten Leuten,

Wie reich daß schöne Preussenland

Gewesen sey zu jenen Zeiten,

Wieviel Görg Friedrich weggeführt,

So ist kein Mangel doch gespührt:

Daß Geld ist vngezehlt gewogen,

Man hat gezürnt, wenn wer den Sold

Nicht zeitig gnug hat abgeholt,

Vnd niemand ist doch außgesogen.


Jetzt stehen so viel Erbe leer,

Man höret Wehklag aller Enden,

Noch kommen keine Gelder her,

Der Allerhöchste woll es wenden.

Ich trag auch die gemeine Schuld

Des Landes billich mit Gedult

Vnd seuffze, wenn ich muß ermässen,

Daß aller Segen hie gebricht,

Inmittels aber kan ich nicht

Mein eigne Händ vnd Füsse fressen.


Ich winde mich auch, wie ich kan,

Vnd lauffe täglich hin vnd wieder,

Ich halte wie mir möglich an

Durch allen Fleiß vnd schreibe Lieder;

Vmbsonst, ich sehe nur, mein Spiel,

Poeten Müntze, gelt nicht viel,

Es wil sich nirgends mit mir flaschen,

Man liebt mich nach dem Ansehn wol,

Wenn Geld gezehlet werden soll,

So sitzt der Hund vnß auff der Taschen.
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Nach allem Scheine lässt es sich

Mit mir fein an zu Noht vnd Jammer,

Der Boden weiß kein Korn für mich,

Für mich weiß keinen Scherff die Kammer:

So schick dich nur, mein gutter Dach,

Zum Hunger leiden allgemach:

Ich wil mich mit den meinen letzen,

Es ist ein Jahr vmb diese Zeit,

Daß ich, durch harten Zwang, bereit

Mein Armuht anfing zu versetzen.


Lest Preussenland es nur geschehn,

Daß ich nur nicht muß Hunger sterben,

Es ist nicht grohß vmb mich versehn,

Für mein theil kan ich leicht verderben.

Wenn mich der Grahm verzehret hat,

So weiß noch Gott den Meinen Raht,

Auch fromme Leute werden leben,

Nähm heut mich auch der Tod von hier,

Recht, Vnschuld, Redlicheit würd mir,

Ich weiß, ein schönes Zeugnüs geben.


Laß alles übern Hauffen gehn,

Ich werde wol, ob Gott will, bleiben,

Ich kan doch nimmer gantz entstehn,

Wirdt nur ein Lied von mir bekleiben,

Mein Nahme wirdt nicht abgethan,

Weil Preussen Gott erheben kan.

Bringt aber dieß mich recht zur Erden?

Setzt billich dieses mich in Noht?

Soll hierumb mir nicht auch mein Brodt

So bald, alß andern ihres, werden?


Ich trag auff keinen Neid allein,

Auch ich wil vngern dürfftig alten:

So stoltz wirdt, hoff ich, niemand seyn,

Der dieß mir wirdt vor übel halten.

Wie schlecht auch immer ist mein Sinn,

So weiß ich dennoch, wer ich bin.

Ein Bürgermeister wirdt erkohren,

Ein Redner übt sich Tag vnd Nacht

Zu fassen schöner Worte Pracht,

Poeten werden nur gebohren.


Herr Jordan, hilff mir wie du kanst,

Ich suche geitzig nicht zu füllen

Mit grossen Gütern meinen Wanst,

Wenn ich nur meine Noht kan stillen.

Achthundert Gulden sind es nu,

Daß dritte Jahr kompt auch herzu,

Sag alles dieß den AmptsVerwandten,

Die Summ häufft sich ie mehr vnd mehr,

Mir grawet auß der massen sehr

Für den verjähreten Restanten.

Quelle:
Simon Dach: Gedichte, Band 1, Halle a.d.S. 1936, S. 166-167,170-171.
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