Jung gefreyht hat nie gerewt

[105] Vor 1642.


Wiltu nichts vom Breutgam hören,

Wünschest dir für ihm den Tod?

Lass dich nicht, mein Kind, bethören,

Setz dich willig nicht in Noht!

Denck was dieses sey für Pein:

Alt, vnd doch noch Jungfraw seyn!


Lieben vnd geliebet werden,

Ist das beste von der Welt,

Ist, was bloß dieß Hauß der Erden

Frey vor allem Fall' erhält;

Was nicht lieben wil noch kan,

Wo zu taug es vmb vnd an?


Wenn der Scheitel dir wird blecken,

Vnd du wirst die Zähne nicht

Mehr vor Alter können decken,

Runtzlecht seyn im Angesicht,

Ach hätt' ich doch vor der Zeit,

Wirstu sagen, noch gefreyht!


Wie die Aepffel sambt den Zweigen

Vor dem Garten-Herren sich

Vmb die Herbst-Zeit nieder beugen,

Vnd fast sprechen: pflücke mich!

Wie der damals reiffe Wein

Seufftzt vnd wil gelesen seyn:


Wie die volle Ros' im Lentzen

Kläglich thut nach deiner Hand,

Wil dein Härchen zu bekräntzen

Von dir werden angewandt,

Wie auch gern die reiffe Saat'

Ihren Trost, die Schnitter, hat:


Also reiffen deine Gaben,

Vnd, treugt mich das Auge nicht,

Wollen einen Freyer haben,

Was dein Mund dawieder spricht;

Wo nicht du, doch deine Zier

Suchet einen Breutgam dir.


Komm zu mir, mein Obst vnd Traube,

Ros' vnd Saat', erfrewe mich!

Komm! nach dieser früchte Raube

Sehnet meine Seele sich,

Dieß Obst sättigt meinen Sinn,

Ob ich sonst gleich Obst-schew bin.

Quelle:
Simon Dach: Gedichte, Band 1, Halle a.d.S. 1936, S. 105-106.
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