Vor-Jahrs Liedchen

[107] Vor 1642.


Die Lust hat mich gezwungen

Zu fahren in den Wald,

Wo durch der Vögel Zungen

Die gantze Lufft erschallt.


Fahrt fort, jhr Frewden Kinder,

Ihr Püsche-Bürgerey

Vnd Freyheit-volck nicht minder,

Singt ewre Melodey!


Ihr lebt ohn alle Sorgen

Vnd lobt die Güt' vnd Macht

Des Schöpffers von dem Morgen

Biß in die späte Nacht.


Ihr bawt euch artig Neste,

Nur daß Ihr Junge heckt,

Seyd nirgends Fremd' vnd Gäste,

Habt ewren Tisch gedeckt.


Ihr strebet nicht nach Schätzen

Durch Abgunst Müh' vnd Streit,

Der Wald ist ewr Ergetzen,

Die Federn ewer Kleidt.


Ach wolte Gott, wir lebten

In Vnschuld, gleich wie Ihr,

Nicht ohn auffhören schwebten

In sorglicher Begier!


Wer ist, der also trawet

Auff Gott, das höchste Gut,

Der diese Welt gebawet,

Vnd allen gutes thut?


Wir sind nicht zu erfüllen

Mit Reichthumb vnd Gewinn,

Vnd gehn vmb Geldes willen

Offt zu der Höllen hin.


O, daß wir Gott anhiengen,

Der vns versorgen kan,

Vnd recht zu leben fiengen

Von Euch, Ihr Vögel, an!

Quelle:
Simon Dach: Gedichte, Band 1, Halle a.d.S. 1936, S. 107.
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