[Nicht düstre, Theosoph, so tief!]

[124] Nicht düstre, Theosoph, so tief!

Nicht blicke, Moralist, so scheel!

Wir möchten gerne selig sein,

Und dieses ist ja wohl kein Fehl.


Hinschmachtend in der Wüste Sand

Gleichwie die Kinder Israel,

Schrei'n wir zu Gott um Labungen,

Und dieses ist ja wohl kein Fehl.


Was kümmert uns der Tuba-Baum,

Und was der Engel Gabriel?

Wir suchen einer Schenke Thür',

Und dieses ist ja wohl kein Fehl.


Wir lieben unsern alten Wirth

Und haben deß auch keinen Hehl;

Wir fliehen alle Heuchelei,

Und dieses ist ja wohl kein Fehl.
[125]

Nicht Menschenblut vergießen wir

Auf wilden Hasses Wuthbefehl;

Der Rebe Blut genießen wir,

Und dieses ist ja wohl kein Fehl.


Wir öffnen unsern Busenschrein

Der Liebe köstliches Juwel

Mit vollen Händen auszustreu'n,

Und dieses ist ja wohl kein Fehl.


Wir preisen unser süßes Herz

Vierzeilig oder im Gasel;

Dem Holden ist der Dichter hold,

Und dieses ist ja wohl kein Fehl.


Du trage keuchend jede Last,

Dem Esel gleich und dem Kameel!

Wir schütteln unsre Bürden ab,

Und dieses ist ja wohl kein Fehl.

Quelle:
Georg Friedrich Daumer: Hafis. Hamburg 1846, S. 124-126.
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