[O wie süß ein Duft von oben]

[59] O wie süß ein Duft von oben

Meinen Geist umwittert!

Wie ein Blick in jene Kläre

Mir das Hier verbittert!


Breit', o Seele, deine Flügel,

Schwinge dich nach Eden! –

Wehe, wehe, daß du ringsum

Schmählich eingegittert! –


Aber nein, ich will nicht klagen,

Nein, ich will nicht fliegen,

Ob mir auch, in's Freie winkend,

Jede Schranke splittert.


Alles Schönste, Liebste, Beste

Blühet auf der Erde,

Und es ist ein hohler Flitter,

Der dort oben flittert.
[60]

Nur ein Schatten ird'scher Wonne,

In der Höhe spiegelnd,

Macht daß unsre Brust so sehnlich

Ihr entgegenzittert.


Um das Heil, das uns von dorther

In die Leere ladet,

Sei auf Erden nicht ein einzig

Rosenblatt zerknittert!

Quelle:
Georg Friedrich Daumer: Hafis. Hamburg 1846, S. 59-61.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Hafis
Hafis