Da fand ich mein Herz

[495] Ich ging und ließ die Sonne versinken,

Ließ die Wolken in lila Tinten blinken,

Ließ das Feuer der Schnitter im Strohfeld winken,

Ließ alles Leben in Nacht ertrinken.
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Ich ging und ließ der Gedanken Saaten,

Ließ die Nähe schwinden und ihre Taten,

Die Stunden, die mir den Weg vertraten,

Ich ließ sie alle, und ob sie auch baten.


Ich ließ die Leere und ließ den Schaum.

Ich ließ die Zeiten und ließ den Raum.

Ich ließ des Daseins endlosen Saum.

Da fand ich mein Herz. Ich erkannte es kaum.


(Garoet, 1. Mai 1915)


Quelle:
Max Dauthendey: Gesammelte Werke in 6 Bänden, Band 4: Lyrik und kleinere Versdichtungen, München 1925, S. 495-496.
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