Die grüne Stube

[154] Gern ich ein Julifeld mir küre

Als grüne Stube ohne Türe.

Bin Hausherr dort, bin nicht allein,

Es ziehen tausend Mieter ein:

Die Hummel, die wie's Feuer summt,

Die Grille, die niemals verstummt,[154]

Die Krähe, die nach Regen schreit,

Der Himmel und die Ewigkeit.

Ich sitz' im grünen Staatsgemach

Und denk' der kleinsten Ameis' nach,

Und meine Möbel und Gardinen

Sie haben stündlich neue Mienen.

Heut sind sie grau und morgen heiter,

Das Muster webt von selber weiter.

Ich kann dort ganze Stunden liegen,

Den Kopf auf meinen Schultern wiegen,

Und kommt der Abend still heran,

Hab ich unendlich viel getan;

Sah ich nur in der Hecke drin

Dengelnd 'ne kleine Schnitterin.

Und wird sie dabei etwas rot,

Dank' ich für meine Mieter Gott,

Bin mit der grünen Stub' zufrieden,

Und denk': man wohnt doch gut hienieden!

Quelle:
Max Dauthendey: Gesammelte Werke in 6 Bänden, Band 4: Lyrik und kleinere Versdichtungen, München 1925, S. 154-155.
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