Neunter Abschnitt.

[159] Die Erndte.


26.-31. Dezember. Nun stand mein Getreide und mein Reis in voller Reife, und lud mich ein, den Segen in Empfang zu nehmen, der auf so wunderbare Weise mir in dieser Wüste aufkeimte, und mir jetzt golden entgegen wallte. Aber in dem Augenblick, wo ich Hand anlegen wollte, fragte ich mich, mit welchen Werkzeugen ich den Schnitter abgeben sollte? Ich hatte keine Sense, keine Sichel, besann mich aber auf ein paar Säbel, die ich aus dem Schiffe gerettet hatte; von diesen nahm ich den breitesten, rieb den Rost ab, und nachdem ich ihn geschliffen, schnitt ich die Aehren ganz oben weg, und da meine Erndte, obwohl sehr ergiebig, doch nur sehr klein und der wenigen Saat angemessen war, so war ich bald damit fertig. Dennoch erhielt ich ungefähr einen Scheffel Getreide und zwei Scheffel Reis, die ich zu Hause mit den Händen ausrieb, aber ich sah wohl, daß der ganze Ertrag kaum zu einer neuen Saat, vielweniger zu meinem Unterhalt hinreichte; ich faßte daher den Vorsatz, erst noch einmal zu säen, und nicht eher etwas davon zu genießen, bis ich Vorrath genug von einer Erndte zur andern und hinlängliche Saat zu einer neuen hätte. Hierin ward ich noch mehr bestärkt, da ich nicht wußte, wie ich jetzt mein Korn mahlen, von[160] Kleien säubern, wie und worin ich das Mehl zu Teige kneten und zu Brod backen sollte. Auf einmal stellten sich alle Schwierigkeiten, Mängel und Hindernisse dar, an die ich noch gar nicht gedacht hatte. Wenige Menschen haben wohl je daran gedacht, wie viele Mühe, Uebung und Geschicklichkeit, welche Menge von Werkzeugen, Vorrichtungen und andern Dingen erforderlich sind, um einen Bissen Brod hervorzubringen.

Ich machte diese lange, beschwerliche Erfahrung. Für's Erste hatte ich keinen Pflug, um mein Feld umzuackern. Diesen Mangel ersetzte ich durch die Schaufel von Eisenholz, die ich aber erst wieder ausbessern mußte. Dann fehlte mir eine Egge; nach langem Nachdenken fiel ich darauf, einen schweren Baumast abzuhauen und zu entblättern, und über das angesäete Feld hin- und herzuschleppen, welches denn freilich mehr aufkratzte als eggte, aber doch ziemlich meiner Erwartung entsprach. Dann nöthigten mich die ungebetenen Gäste, das ganze Feld einzufriedigen; zur Erndtezeit mußte ich das Korn schneiden, nach Hause bringen, dreschen, von der Spreue sondern; dann fehlte es an einer Mühle, an Sieben, an Salz und Sauerteig, an einem Ofen und sogar an den Materialien und Werkzeugen, um alles das zu verfertigen, ohne welches ich das Getreide weder mahlen, noch reinigen, noch einmengen, noch backen konnte. Ich entschloß mich also noch vor der Regenzeit, die bald eintreten mußte, meine Saat in die Erndte zu bringen, und während sie mich in meine Wohnung verschloß, an solchen Geräthen[161] zu arbeiten, die mir unentbehrlich waren, um Brod zu bekommen, wonach meine Sehnsucht um desto größer ward, da mein Zwieback zu Ende war.

1. Jenner 1661. Der Neujahrstag war mir schon in meiner Kindheit wegen den vielen Geschenken, jetzt aber wegen den Betrachtungen wichtig, die er veranlaßte. Auch feierte ich ihn nebst dem Weihnachtsfeste desto mehr, da mir die Tage, auf welche die beweglichen hohen Feste, Ostern und Pfingsten fielen, unbekannt waren. Ich fieng meine Feier mit Oeffnung der Bibel an und fand die trostvollen Worte: »Ich will dich nicht verlassen noch versäumen.« Ich wandte sie auf mich an, denn ich war traurig, daß ich heute mein letztes Stückchen Zwieback genießen sollte, das ich seit einigen Tagen auf diesen verspart hatte; dazu kam noch, daß ich wenigstens ein halbes Jahr warten mußte, ehe ich wieder Brod bekam. Aber dieser trostreiche Wunsch belebte mich auf's Neue. »Nun denn! – rief ich, – verläßt Gott mich nicht, was thuts, wenn ich auch von der ganzen Welt verlassen bin.« Ich dankte Gott mit gerührtem Herzen, daß er dem Kaufmann in England, der mir meine Sachen nach Brasilien sandte, in den Sinn gab, die Bibeln dabei zu legen, und daß ich sie mit zu Schiffe nahm und daraus rettete.

In dieser Gemüthsverfassung trat ich das neue Jahr an. Um aber die allzugroße Umständlichkeit und den Tagebuchsstyl zu vermeiden, werde ich in der Folge nur dann die Tage bemerken, wenn sie vorzüglich merkwürdig[162] sind. Der Drang der Bedürfnisse und meine eigene Thätigkeit erlaubten mir nicht müßig zu seyn. Wie schon bemerkt, hatte ich meine Zeit ordentlich eingetheilt, doch die allmählige Verbesserung meiner Lage gab Anlaß zu einiger Abänderung. Dreimal des Tags las ich in der Bibel und verrichtete mein Gebet. Alle Morgen, wenn es nicht regnete, gieng ich aus, um etwas zu schießen, oder etwas anderes zu meinem Unterhalt zu holen; dies nahm mir zwei bis drei Stunden. Nicht viel weniger Zeit hatte ich zur Zubereitung und Aufbewahrung meiner Speisen nöthig. Gegen 11 Uhr, besonders wenn die Sonne im Zenith stand, war die Hitze so groß, daß nicht daran zu denken war mich zu rühren, viel weniger zu arbeiten, so daß mir kaum 4 oder 5 Nachmittags- und Abendstunden zur Arbeit übrig blieben. Zuweilen verwechselte ich die Jagd- und Arbeitsstunden, so daß ich des Abends jagte und des Morgens arbeitete, wenn ich Etwas gern bald fertig gehabt hätte, oder der Regen dazu Anlaß gab. Uebrigens wird man diese kurze Arbeitszeit desto weniger zu kurz finden, wenn man außer der Hitze des Klima's noch die Mühsamkeit bedenkt, womit ich Alles, theils aus Unkunde, theils aus Mangel an Materialien, Werkzeugen und andern Hülfsmitteln bewerkstelligen, und oft einen Monat zu einer Arbeit anwenden mußte, die ein paar Handwerker sonst in einem Tage gefertigt hätten.

Meine Mahlzeiten waren so eingerichtet: Zum Frühstück aß ich einige Trauben; zu Mittage ein Stück gebratenes Ziegenfleisch, oder Vögel, oder [163] Fische, oder endlich Schildkröte, welches letztere ein Leckerbissen für mich war, denn seit meiner Ankunft fand ich in den ersten Tagen dieses Jahres erst die zweite Schildkröte, sie war aber sehr groß und hatte über ein Schock Eier, von denen zwei oder drei meine Abendmahlzeit ausmachten.

Ich glaubte besser zu thun, mein Getreide und Reis in der Gegend meines Sommerhauses zu säen. Ich begab mich also in den letzten Tagen des Jenners mit meiner Saat und meiner Schaufel dahin. Als ich den Zaun ansichtig ward, fiel mir ein, mein Korn inwendig zu säen, weil ich dann keine andere Einfriedigung nöthig hatte. Mir blieb daher etwas von beiden Samen übrig, weil der Platz zu klein war, um alles auszusäen, doch beruhigte mich das auf den Fall eines Mißgeschicks. Ich arbeitete mehrere Tage an der Bestellung meines Ackerfeldes mit der Schaufel und einem Baumaste. Pomeranzen und Zitronen fand ich noch, auch Trauben, die aber bereits so überreif waren, daß die Beeren bei der geringsten Berührung abfielen, doch waren sie vortrefflich. Zu Anfang Februars kam ich sehr ermüdet mit einer Ladung von Orangen und Limonien nach Hause, und zwar zu meinem Glück, denn wenig Tage nachher fieng schon die Regenzeit an, und nun regnete es Tag für Tag mehr oder weniger, bis in die Mitte Aprils, und oft so heftig und anhaltend, daß ich viele Tage nicht aus meiner Klause kommen konnte, denn ich hütete mich, seit meiner Krankheit, sorgfältig vor dem Naßwerden, daher ich mich, so viel möglich war,[164] mit allem Nöthigen versah, um nicht Mangel zu leiden, und genöthigt zu seyn auszugehen und sie zu holen.

Ich fand, daß die Jahrszeiten hier nicht wie in Europa in Frühling, Sommer, Herbst und Winter, sondern in trockene und Regenzeit jährlich zweimal abwechselten. Letztere trat oft früher oder später ein, und dauerte länger oder kürzer, so wie die Winde giengen; überhaupt war es wie folgt: im halben Februar, im März und halben April war Regenzeit, da die Sonne in oder nahe bei der Frühlings-Nachtgleiche ist; von der zweiten Hälfte Aprils bis in die erste Hälfte Augusts dauerte die trockene Zeit; die Sonne war nördlich der Linie. Vom halben August bis in die Hälfte Oktobers war wieder Regenzeit und die Sonne im oder nahe bei'm Wendekreis des Steinbocks; von der zweiten Hälfte Oktobers bis in die erste Februars war die zweite trockene Jahrszeit, die Hitze aber auf meiner Insel nicht so groß wie in der ersten, weil die Sonne südlich der Linie stand.

Ich hatte während dieser Regenzeit Muße genug, die Geräthe zu meiner Erndte und zu allem, was ich bis zum Brodbacken nöthig hatte, zu verfertigen, aber ich konnte sie nicht so benutzen, wie ich mir vorgesetzt hatte; die Schuld lag an mir, weil ich vor dem Regen nicht überlegt hatte, was ich dazu bedurfte. Jetzt that ich's, aber zu spät.

Um das Korn zu schneiden, hatte ich einen Säbel zugeschliffen, da aber die künftige Erndte weit beträchtlicher werden mußte, so machte ich auch den andern[165] Säbel scharf, um desto besser fortzukommen. Um das Korn von den Aehren abzulösen, zog ich vor, es wieder mit den Händen auszureiben, was mir nicht soviel Mühe kostete, als alles, was zum Dreschen nöthig war, zuzubereiten. Die größte Schwierigkeit war, mein Getreide zu mahlen. Von der Einrichtung einer Mühle hatte ich keinen Begriff. Endlich fiel mir ein, das Korn zu stampfen, aber worin? Da war weder Mörser noch Stößel auf der ganzen Insel zu finden; ich überlegte also, wie ich welche machen wollte, und hielt für das Beste, den Mörser von Stein und den Stößel von Eisenbaumholz zu machen; da ich aber weder von diesem Holz vorräthig hatte, noch den Stein meines Felsens hart genug fand, so war ich genöthigt, diese Arbeit bis nach der Regenzeit zu verschieben. Durch das Stampfen blieben Mehl und Kleie vermischt; ich mußte also ein Sieb haben, um das Mehl von den Hülsen abzusöndern. Das war nun wieder eine neue Schwierigkeit, denn ich hatte nichts von allem, was ich hätte brauchen können, um entweder das Mehl zu sichten oder um ein Sieb zu verfertigen. Zwar hatte ich Ziegenhaare, aber nichts um sie zu spinnen und zu weben, wenn ich es auch gekonnt hätte. Ich gieng in mein Magazin, und durchwühlte die Kisten und Kasten, und fand endlich einige dünne, sehr grobe kattunene Halstücher unter den Kleidern eines Matrosen. Aus diesen machte ich mir drei Siebe, indem ich sie an rund gebogene und zusammen geflochtene Weidenruthen ausspannte. Das Nachsinnen und die Verfertigung oder[166] Zubereitung dieser wenigen Geräthe beschäftigten mich bis zu Ende der Regenzeit, und das Erste, was ich unternahm, als die trockene Zeit eintrat, war, meinen Landsitz zu besuchen, unterwegs ein Stück Eisenbaumholz zu einem Stämpfel zu hauen, und einen tüchtigen Stein zu einem Mörser zu suchen.

Mein Landhaus fand ich im blühendsten Zustande, denn nicht nur war die Einzäunung noch fest und ganz, sondern die in die Erde gesteckten Stäbe waren alle ausgeschlagen und hatten lange Zweige getrieben, wie die Weidenbäume; dieser Anblick überraschte mich sehr angenehm, und ich machte mich sogleich darüber her, beschnitt sie, richtete sie gerade, und es ist kaum zu glauben, wie schnell sie aufschossen. In weniger als drei Jahren gewann diese lebendige Hecke das schönste Ansehen, und beschattete den größten Theil des innern Raums. Dies brachte mich auf den Entschluß, noch mehr von diesen schnell wachsenden Stäben abzuschneiden, und meine alte Wohnung damit zu umpflanzen, sowohl um sie besser zu verbergen, als zu beschatten. Jedes Mal, wenn ich nach Hause gieng, nahm ich soviel mit, als ich bequem tragen konnte, und pflanzte sie in einem Halbkreise in mehrere Reihen, ungefähr 10 Schritte von meiner Mauer, herum; sie schossen auch in Kurzem auf, und entsprachen völlig meiner Erwartung.

Dagegen war es mir unmöglich, einen tauglichen Stein zu einem Mörser zu finden. Erstlich waren keine von den losen Stücken groß genug, um sie aushöhlen[167] zu können, so daß sie genug Korn faßten und doch Dicke genug behielten, um das Stampfen auszuhalten. Was aber in dem festen Felsen war, konnte ich nicht anders, als durch Sprengen mit Pulfer loskriegen. Ungeachtet der Ungewißheit des Erfolgs und des sichern Verlursts meines Pulfers, wollte ich dennoch den Versuch wagen, fand aber keine Steinart hart genug, um das Gewicht und die Bewegung des Stößels auszuhalten, und mein Korn zu zermalmen, ohne es mit Steinsand zu vermischen. Nachdem ich wohl 14 Tage umsonst damit verloren hatte, entschloß ich mich, einen Klotz von dem harten Holz des Eisenbaums zu suchen, den ich dann auch leicht fand. Da der ausgehöhlte Mörser leichter fortzubringen war, so bearbeitete ich ihn an der Stelle, wo der Klotz lag. Zuerst behaute ich ihn mit dem Beile von aussen, daß er die Gestalt eines Mörsers erhielt, sägte dann erst den Boden, damit er gerade stehe, ungefähr drittehalb Fuß hoch von Stamme ab und stellte ihn auf; das gelang vortrefflich, obwohl nicht ohne Mühe, weit größer aber ward sie, um ihn auszuhöhlen, wegen der Härte des Holzes; ich wandte alle meine Werkzeuge dazu an, und nach acht Tagen hatte ich nicht nur sehr wenig gefördert, sondern ich sah, daß ich den Klotz verdarb, und hätte die Arbeit beinahe unbeendigt liegen lassen; doch die Sehnsucht nach Brod und meine gewohnte Beharrlichkeit spornten mich an, das angefangene Werk zu vollenden. Ich hatte in Brasilien gehört, daß die Wilden ihre Kanots mit Feuer aushöhlten, und auf diese Art brachte ich denn endlich meinen[168] Mörser in achtundzwanzig Tagen zu Stande. Hierauf machte ich aus dem Eisenbaumholze einen Stößel, der mich nicht weniger als 6 Tage Arbeit kostete.

Jetzt war es um einen Backofen zu thun. Ich wollte ihn erst aus Steinen ausführen, da sie leicht zu behauen waren; dazu hatte ich aber keine Werkzeuge, und dann auch keinen Mörtel. Ich hoffte also Thonerde zu finden, und damit leichter meine Absicht zu erreichen. Erst nachdem ich mehrere Tage gesucht, fand ich sie, und brachte einen mehr als hinreichenden Vorrath nach Hause.

Schon lange hatte ich darüber nachgesonnen, wie ich einige irdene Geschirre verfertigen könnte, die ich sehr nöthig brauchte, um Flüssigkeiten aufzunehmen; jetzt kam noch hinzu, daß ich dergleichen zu Zubereitung des Brodes bedurfte, ich wollte also Töpfe machen, so groß als möglich, und dann auch Backsteine, um einen Backofen zu errichten.

Der Leser würde mich bedauern oder auslachen, wenn ich ihm umständlich erzählte, wie es mit meiner Töpferarbeit gieng. Ich machte eine Masse, bald aber war sie nicht steif genug, ihre eigene Schwere auszuhalten, und fiel zusammen, sobald ich etwas daraus formte; bald hatte ich sie zu naß an die Sonne gesetzt und die Gefäße bersteten; bald war die Masse zu spröde und bröckelte auseinander, wenn ich sie kaum berührte. Nach vielen vergeblichen Versuchen fand ich doch endlich die rechte Mischung, und brachte nach sechs Wochen zwei ungestaltete, plumpe Gefäße zuwege, die großen Schüsseln nicht unährlich waren; so wenig es mir mit[169] diesen großen gerathen wollte, so gelang es mir doch mit den kleinen Töpfen, Näpfen, Krügen und vorzüglich mit flachen Schüsseln; da ich bemerkte, daß das flache Geschirr leicht zu verfertigen war, so beschloß ich, statt Backsteinen, und aus diesen den Ofen zu machen, einige große flache Gefäße zu verfertigen, ungefähr 2 Fuß im Durchmesser, nicht über 6 Zoll hoch, und verhältnißmäßig stark. Dies Alles trocknete die Sonne so hart, daß ich hoffte, das Feuer bei'm Backen würde mir die letzten Gefäße nicht beschädigen. Die Erstern aber entsprachen meiner Absicht gar nicht, denn auf dem Feuer drang das Wasser heraus, und meine beiden Schüsseln zersprangen zu meinem großen Verdrusse.

Da ich mir eines Abends ein Stück Ziegenfleisch bei einem starken Feuer gebraten hatte, und selbiges auslöschen wollte, fand ich in der Asche eine Scherbe von meiner Töpferarbeit, sie war glühend roth und hart wie Ziegelstein. Ha! dacht' ich: wenn ein Stück sich so vortrefflich brennen läßt, so wird es ja mit den Gefäßen auch wohl angehen, und ich beschloß, sogleich den Versuch zu machen, von meinen unförmlichen Gefäßen einige zu brennen. Von einem Brennofen nach Töpferart hatt' ich nicht den geringsten Begriff; und eben so wenig von Glasur; daß meine gerettete Bleirolle dazu dienlich seyn könnte, war mir ganz unbewußt. Ich grub ein Loch in die Erde, setzte drei von meinen getrockneten Gefäßen hinein, legte Brennholz und Reisig rings herum, und einen Haufen Asche darunter, zündete alles an, und fuhr mit dieser Feuerung fort, bis ich sah daß die Gefäße glühend roth und doch keines[170] zersprungen war. Jetzt bedeckte ich das Loch mit Holz und Rasen, um die Hitze beisammen zu halten, ließ sie so 5 bis 6 Stunden stehen, bis ich merkte, daß eines davon, zwar nicht zerbarst, aber doch zu schmelzen anfieng, denn der Sand, der mit dem Thon vermischt war, würde durch die große Hitze zu einem Glasflusse geworden seyn, wenn ich sie nicht allmählig linderte, bis die Töpfe nach und nach ihre Röthe verloren. Damit das Feuer nicht zu schnell ausgehen möchte, blieb ich die ganze Nacht dabei wach, und des Morgens hatte ich drei Gefäße so hart gebrannt als ich es nur wünschen konnte, und eines davon vollkommen glasuret.

So gering diese Sache scheinen mag, so groß war meine Freude darüber. Ich hatte nun ein Geschirr, welches das Feuer aushalten konnte, und kaum konnte ich es erwarten bis sie abgekühlt waren, eines davon mit Wasser an's Feuer zu setzen, um ein Stück Ziegenfleisch darin zu kochen; ich machte mir eine vortreffliche Suppe, indem ich etwas von meinem übriggebliebenen Reis hinzu that, und nur wer, wie ich, so lange Zeit ohne etwas Gekochtes zu genießen zugebracht hat, kann sich vorstellen, wie herrlich mir diese neue Speise schmeckte, obgleich mir die beste Würze, das Salz, fehlte, denn der Schiffsvorrath war beim Schiffbruch geschmolzen, oder verloren gegangen, denn ich fand keines, so wenig als auf der Insel, so sehr ich auch anfangs darnach suchte; und durch Hülfe des Meerwassers mir Salz zu bereiten, war mir ganz unbekannt. Erst nach vielen Jahren entdeckte ich zwischen den Klippen der Südküste ganz unvermuthet eine[171] Menge des schönsten Salzes, wovon ich mir große Vorräthe nach Hause schaffte; jedoch hatte ich anfänglich beinahe eben so viel Mühe, mich wieder daran zu gewöhnen, als mir die Entbehrung desselben zuerst unangenehm gewesen war.

Kaum hatte ich so herrlich abgespeist, so nahm ich meine übrigen Gefäße, vorzüglich die, welche den Ofen vorstellen oder ersetzen sollten, stapelte sie so gut möglich aufeinander, machte ein verhältnißmäßiges Feuer dazu, und es gelang mir eben so gut oder noch besser als das erstemal; zwar zersprangen mir einige, dagegen aber waren die andern desto vorzüglicher gebrannt. Nach diesem so wohlgerathenen Versuch ist es kaum nöthig zu erinnern, daß ich mir in Zukunft niemals von diesen Gefäßen fehlen ließ; ich lernte allmählig die erforderliche Hitze und andere Kunstgriffe kennen, so daß mir niemals kein Brennen fehl schlug. Die gefällige Form fehlte freilich allen meinen Gefäßen, allein die Schönheit wurde an keiner Sache vom Bedürfniß, sondern von der Muße erfunden.

Diese Arbeit beschäftigte mich bis in die Mitte des Julius, und sobald ich damit fertig war, begab ich mich zu meinem Landhause, wo ich alle Baum- und Erdfrüchte im herrlichsten Zustande fand. Alles lockte und winkte mir zum Genuß. Meine Saaten fiengen schon an reif zu werden, und versprachen eine reiche Erndte. Jetzt ward ich besorgt, worin ich mein Korn nach Hause bringen und aufbewahren sollte? ein Korb wäre wohl das Dienlichste dazu. Da fiel mir ein, daß die Zweige des Baumes, von dem ich die Stäbe zur[172] Einfriedigung meines Landhauses genommen hatte, und die jetzt im sanften Westwinde um mich her schwankten, wohl eben so biegsam und tauglich zum Korbflechten seyen als Soolweiden oder andere ähnliche Bäume, und ich machte auf der Stelle einen Versuch damit. Ich hieb eine hinlängliche Menge Zweige, doch nicht vom Zaune, sondern von den außen frei stehenden Bäumen ab, und setzte mich vor mein Zelt. Jetzt kam mir meine jugendliche Neugierde trefflich zu statten, daß ich als Knabe so gerne in die Werkstätte eines neben meinem Vater wohnenden Korbmachers hingieng, seiner Arbeit zusah, und genau Acht gab, wie er sie anfieng, fortsetzte und vollendete, auch wohl, wie Kinder zu thun pflegen, selbst Hand anlegte und hierdurch alle Handgriffe lernte. Ich brachte auch wirklich zwei gute Körbe zu Stande, fand aber bald, daß sie nicht von Dauer seyn würden, weil die Zweige grün waren, doch hoffte ich, sie würden mir gut genug für diese Erndte seyn. Ich füllte also einen derselben mit Melonen, Pomeranzen, Zitronen, und legte obenauf einige Trauben, brachte das alles glücklich, aber mit vieler Mühe nach Hause, denn der Korb war etwas zu groß, daher die Last zu schwer, und überdas unbequem zu tragen; ich machte mir also noch denselben Abend ein Paar vier Finger breite Tragriemen von Segeltuch, und des andern Tags bei meinem Landsitz einen Tragkorb, womit ich meine Sachen sehr bequem tragen, und dabei die Hände frei haben konnte. Auf diese Weise brachte ich eine Menge Melonen und Baumfrüchte, grüne und gedörrte Trauben, und als meine Erndte[173] reif und geschnitten war, auch diese in meine alte Wohnung; so wie eine große Menge von den Baumzweigen zum Korbflechten, welche ich erst an die Sonne gelegt und hatte austrocknen lassen.

Während diesen mannigfaltigen Beschäftigungen überraschte mich die Regenzeit in meinem Landhause, und nöthigte mich, ohne Zeit gehabt zu haben meinen Acker zu bestellen, in meine alte Wohnung zurückzukehren; denn obgleich ich dort ein Zelt aufgeschlagen hatte, so war hier weder eine Felswand, die mich vor Stürmen schützte, noch eine Höhle, in die ich mich flüchten konnte, wenn der Regen, wie oft geschah, in Strömen herabfloß.

Ich konnte nun sagen, daß ich bisher, im eigensten Sinne des Worts, um mein Brod gearbeitet hatte. Dahin war nun meine erste Sorge gerichtet, als die Regenzeit mich in meine Höhle einsperrte. Zwar hielt mich erst der Umstand davon ab, daß ich mein Feld nicht hatte bestellen können; als ich aber meinen Getreidevorrath besichtigte, fand ich ihn so ansehnlich, daß ich ihn noch lange nicht in einem Jahre verzehren konnte, denn ich hatte zwanzig Scheffel Getreide und noch mehr Reis. Nun bedachte ich mich auch nicht länger, ganz freien Gebrauch davon zu machen, denn seit langer Zeit hatte ich kein Brod gegessen. Ich wußte durch die Erfahrung, wenn es Zeit war zu säen, und daß ich jährlich zweimal säen und erndten konnte. Ich blieb jedoch noch unentschlossen, ob ich in Zukunft nur einmal des Jahrs oder [174] zweimal säen wollte; künftige Versuche sollten endlich darüber entscheiden.

Ich nahm also von meinen Kornähren, rieb sie aus, stampfte das Korn und sichtete das Mehl, knetete es dann zu Teige, und machte Brode oder vielmehr flache Kuchen daraus, weil ich keinen Sauerteig hatte. Hierauf machte ich ein großes Feuer auf dem Heerd an, und als selbiges nun zu lebendigen Kohlen und glühender Asche ausgebrannt, und der Boden recht durchhitzt war, kehrte ich alle Asche rein weg, legte meine Brode darauf, deckte nun meine zwei großen zusammen passenden Gefäße darüber, und häufte die glühenden Kohlen und Asche darauf und herum, und so wurden meine Brode so gut, als im besten Ofen gebacken. Zwar ist nicht zu läugnen, daß meine ersten Versuche nicht ganz gelangen, aber in kurzer Zeit ward ich ein vollkommener Bäcker, und sogar ein Pastetenbäcker, denn ich machte mir verschiedene Arten von Kuchen und Puddings und allerlei Backwerk. Man kann sich leicht vorstellen, welche Annehmlichkeit diese Vermehrung und Vervielfältigung von Speisen in meinen einsamen Zustand brachte, und welche Beruhigung ich für die Zukunft darin fand, denn ich sah, daß es Gott gefiel, mich in dieser Wildniß mit Brod reichlich zu versehen, und daß ich keinen Mangel zu befürchten hatte, wenn auch mein Vorrath an Pulfer und Blei ausgehen sollte.

Da nun mein Kornvorrath so ansehnlich geworden war, so mußte ich darauf bedacht seyn, ihn besser aufzubewahren, denn theils hatte ich Körbe, irdene[175] Gefäße, und überhaupt alles, was tauglich war meine Erndte zu fassen, damit angefüllt, und da diese nicht in großer Menge vorhanden und meistens klein waren, den Rest in meinem Keller aufgeschüttet, so konnte es aber nicht bleiben. Ich fieng also an, vier große und tiefe Körbe zu flechten, stellte sie zu hinterst in meinen Felsengang und füllte sie mit den abgeschnittenen Kornähren; freilich hätte ich weniger Platz nöthig gehabt, wenn ich sie gleich ausgerieben und bloß die Körner aufbewahrt hätte; aber ausserdem, daß mich das zu lange und zu langweilig beschäftigt haben würde, glaubte ich daß sich das Korn in den Aehren besser aufbehalten lasse, und begnügte mich, jederzeit nur soviel auszureiben, als ich zur Saat und zum Gebrauche nöthig hatte, wobei ich denn nicht unterließ, den gemischten Waizen und die Gerste von einander zu söndern.

Quelle:
[Defoe, Daniel]: Der vollständige Robinson Crusoe. Constanz 1829, Band 1, S. 159-176.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Robinson Crusoe
Robinson Crusoe: Der Bücherbär: Klassiker für Erstleser
Robinson Crusoe: Erster und zweiter Band
Robinson Crusoe (insel taschenbuch)
Robinson Crusoe
Robinson Crusoe: Roman (Schöne Klassiker)

Buchempfehlung

Strindberg, August Johan

Inferno

Inferno

Strindbergs autobiografischer Roman beschreibt seine schwersten Jahre von 1894 bis 1896, die »Infernokrise«. Von seiner zweiten Frau, Frida Uhl, getrennt leidet der Autor in Paris unter Angstzuständen, Verfolgungswahn und hegt Selbstmordabsichten. Er unternimmt alchimistische Versuche und verfällt den mystischen Betrachtungen Emanuel Swedenborgs. Visionen und Hysterien wechseln sich ab und verwischen die Grenze zwischen Genie und Wahnsinn.

146 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon