Abendnebel

[25] So war's auch damals schon – so lautlos,

du tote Braut, so bleich die Luft,

und unterm Dach der Trauerbuche

am Gartensaum hing dumpf ein Duft

von Lindendolden und Hollundern

wie Weihrauch in der Leichengruft:

verstummt auch wir, doch – stumm vor Glück.


Begraben – erster Schwur und letzter Schwur!

Oh sinke, Nacht! Im blassen Dunstgeschwele

du einsam Licht, so fern und schwach,

lisch aus, du Mahnbild der verlornen Seele!

Lisch aus! was lockst du mich ins graue Feld?

was such' ich noch und irre – und bestehle

um seine Ruhe nur mein Weh?


Bang schweigt die Flur, kaum wagt die stille Nacht

zu nahen dieser Stille, – jeder Hauch

im feuchten Korne wie ertrunken, –

erdrückt vom Himmel, florumsunken

die dunkeln Weiden wie erstarrter Rauch, –

wie furchterstickt das Blatt am Strauch, – –

und dumpf aufschluchzend wünsch' ich mir den Tod.

Quelle:
Richard Dehmel: Erlösungen, Stuttgart 1891, S. 25-26.
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