Das Weib des Matrosen

[23] Nach einem französischen Volkslied.


Der Seemann kommt vom Krieg zurück,

so sacht!

verbrannt so sehr, verstaubt so sehr!

»Wo kommst du, armer Seemann, her?

so sacht, so sacht?«


Frau Wirtin, ich komme vom Krieg zurück,

so sacht.[23]

»Schnell Wein! vom Weißen, der hinten steht!

schnell! eh' der Seemann weitergeht!

so sacht, so sacht!«


Der wackre Seemann sitzt und trinkt,

so sacht.

Er sitzt und trinkt und summt ein Lied;

die schöne Wirtin er weinen sieht –

so sacht, so sacht.


Was habt Ihr, schöne Frau Wirtin? sagt!

so sacht?

thut leid Euch Euer weißer Wein,

von dem sich schenkt der Seemann ein?

so sacht, so sacht?


»Mein weißer Wein thut mir nicht leid:

so sacht:

mein toter Mann kam mir in Sinn,

Ihr seht ihm gleich um Aug' und Kinn

so sacht, so sacht.«


O sagt mir, schöne Frau Wirtin, sagt!

so sacht!

zwei Kinder von ihm hattet Ihr –

hört' ich im Dorf – nun habt Ihr vier?

so sacht, so sacht?


»Man hat mir manchen Brief geschickt,

so sacht,

und zeigte seinen Tod mir an;

da nahm ich einen andern Mann –

so sacht, so sacht.«


Der wackre Seemann leert sein Glas,

so sacht.[24]

Und ohne Dank, mit nassem Blick

ging er zu seinem Schiff zurück –

so sacht, so sacht.

Quelle:
Richard Dehmel: Erlösungen, Stuttgart 1891, S. 23-25.
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