In Kraft und Schönheit

[2] In Kraft und Schönheit will ich singen

mein freies Lied! um Wahrheit nicht

braucht zitternd meine Glut zu ringen:

ich selbst bin wahr! – Auf Sturmesschwingen

zur lichten Lohe will ich zwingen

die Flamme, die der Glut entbricht!


In Kraft und Schönheit will ich lieben,

was Fleisch und Seele heiß umarmt!

Ich bin dem Geist der Brunst verschrieben:

der Same, der die Glut getrieben,

der fruchtbar bis zu Mir geblieben,

nach frischem Blut er lechzt und barmt!


In Kraft und Schönheit will ich hassen

den Feind der Kraft, der schönen Lust:

die Eklen, die im Schlamm der Gassen

die reine Saat zu Kot verprassen, –

die Dumpfen, die verglimmen lassen

den heil'gen Funken ihrer Brust!


In Kraft und Schönheit all mein Leben,

mein Trachten all: Das sei mein Wort!

Dann mag sich wider mich erheben

der Qualm der Zeit: es wird mein Streben

auf lichter Lohe ihm entschweben

und Flammen zeugen fort und fort!

Quelle:
Richard Dehmel: Erlösungen, Stuttgart 1891, S. 2.
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