Trost

[14] Es ist nicht gütig, in ein Auge schauen,

in dessen Schooß ein schweigend Weh sich windet:

das Rätsel lockt, die Scham des Mitleids schwindet,

denn eine tiefe Wollust schläft im Grauen.
[14]

Ihr Eitlen! wollt ihr Den mit Trost erbauen,

der selbst kein Wort für seine Schwermut findet?

Die Kränze, die der Schmerz um Särge bindet:

die echte Thräne wird sie stumm betauen!


Und meint ihr denn, wer Einsam sich befragte

mit seinem Leid, er hätt' es nicht bezwungen?

Wer mühsam sich in dunkler Tiefe plagte,

der weiß auch, wann zum Gipfel er gedrungen;


doch wer an seinem Leben nie verzagte,

hat um des Lebens Deutung nie gerungen!

Quelle:
Richard Dehmel: Erlösungen, Stuttgart 1891, S. 14-15.
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