Die stille Stadt

[30] Liegt eine Stadt im Thale,

ein blasser Tag vergeht;

es wird nicht lange dauern mehr,

bis weder Mond noch Sterne,

nur Nacht am Himmel steht.


Von allen Bergen drücken

Nebel auf die Stadt;

es dringt kein Dach, kein Hof noch Haus,

kein Laut aus ihrem Rauch heraus,

kaum Türme noch und Brücken.


Doch als den Wandrer graute,

da ging ein Lichtlein auf im Grund,

und aus dem Rauch und Nebel

begann ein leiser Lobgesang

aus Kindermund.


Quelle:
Richard Dehmel: Weib und Welt, Berlin 1896, S. 30-31.
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