7.

[173] Ein Stübchen schwimmt voll Cigarettenduft;

zwei Menschen hauchen Ringe in die Luft.

Immer umwölkter blickt und sinnt der Mann

das Weib an:

ihren herrischen Wuchs, ihr sorgsam schlicht Gewand,

ihr schwer zu glättendes Haar, die große Hand,

den kühnen Hals, das sanft geschwungene Kinn –

Endlich wirft er gezwungen hin:


Du hast es äußerst talentvoll angestellt,

dich mir als reiche Frau zu entpuppen;

ich hoffe, daß mir's immer öfter wie Schuppen

von den verliebten Augen fällt.
[174]

Ich bin dir dankbar für das charmant posierte

Schauspiel der Armut, das du mir geboten;

beinah so dankbar wie der Toten,

die mir zu Liebe Demut simulierte.

Nur glaube nicht, mit allerhand geschickten

Künsten sei Klarheit zu erzielen;

im Leben führt das Rollespielen

zu arg verwirrenden Konflikten.

Da wird die Wahrheit denn statt Ziel

ein offenherzig Lügenspiel.


Sein Blick wird schärfer; sie hält ihn aus.

Sie scheucht den Rauch weg, sie sagt klar heraus:


Wundert dich das, du freier Mann?

Du wolltest doch, ich sollt dir zeigen,

ob ich verstünde, planvoll zu schweigen;

du schuldigst deine eignen Künste an!

Was unterschied mich denn von einer Dirne,

bevor ich glauben durfte, wir sind Eins?

Der Schutz des Reichtums! nicht des schönen Scheins:

ich biete aller Welt die Stirne.

Die Tote aber lehre uns fürs Leben:

nur volles Selbstgefühl kann voll sich selbst hingeben!


Sie blickt ins Freie; er hat die Augen geschlossen.

Zwei Menschen sitzen rauchumflossen.

Quelle:
Richard Dehmel: Zwei Menschen. Berlin 1903, S. 173-175.
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