10.

[27] Trüber Tag und dunkle Ahnenbilder,

blinde Spiegel, rostige Wappenschilder;

und hohe Aktenwände. Und inmitten

sitzen zwei Menschen mit seltsam kalten

Anstandsmienen da und halten

Conferenz mit einem dritten.

Dieser blickt korrekt gekleidet

und gelangweilt in die Welt,

während er verbindlichst leidet,

daß ein Mann ihm folgenden Vortrag hält:


Hoheit, ich fand in den Archivpapieren,

die ich die Ehre habe zu registrieren,[28]

gewisse halb politische Dokumente,

die Mancher arg mißbrauchen könnte.

Hoheit wissen, die Welt steckt heute

voll explosibler Elemente;

und da in Fürstenhäusern manchmal Leute

antichambrieren,

die Andern in die Karten schauen,

möchte ich lieber meinen Dienst quittieren,

wenn Hoheit mir nicht voll und ganz vertrauen.


Hoheit räuspert sich und blickt voll Schonung

und gelangweilt in die Welt.

Da sich hierauf alles still verhält,

sagt ein Weib mit seltsamer Betonung:


Herr Doctor, wir danken voll Verständnis.

Und, um Vertrauen mit Vertrauen zu ehren:

Hoheit mein Gatte huldigt der Erkenntnis:

dem Lauf der Welt kann Niemand wehren.

Ihr rascher Abschied träfe uns empfindlich;

ein Archivar von gleichen Qualitäten

scheint mir zur Zeit ganz unauffindlich.

Sie sind, Herr Doctor, voll und ganz von nöten.


Sie neigt das Haupt seltsam verbindlich:

Hoheit verneigt sich, wie es Brauch.

Zwei Menschen lächeln; der dritte auch.

Quelle:
Richard Dehmel: Zwei Menschen. Berlin 1903, S. 27-29.
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