18.

[119] Und ein Lichtstreif schielt von getünchten Wänden

nach blitzenden Messern zwischen Verbänden;

dunkle Rosen glühn über frischem Blut.

Ohnmächtig ringt der Duft des Straußes

mit der Luft des Krankenhauses;

und lähmend sticht die Mittagsglut

durch die verhängte Fensterscheibe.

Ein Mann eröffnet einem Weibe:


Also –: die Ärzte haben befunden:

meine rechte Hand wird nicht wieder gesunden.

Ich werde sie wahrscheinlich verlieren,

oder man wird sie mir lahm kurieren,[120]

was ungefähr dasselbe sagt;

kurz, ich hab mich für immer zur Schandgestalt gemacht.

Nach unserm Gottrausch lieg'ich da,

hilfloser als der Urmensch. Ja:

stelle dich nur recht aufrecht hin!

Bei jeder Umarmung wirst du's erkennen,

daß ich meiner, deiner nicht mehr mächtig bin.

Das ist kein Mann mehr nach deinem Sinn –

auch nicht nach meinem –: wir müssen uns trennen.

Geh! mach's kurz! sei Du! schon seit gestern

mahnt mich dein Wesen an eine Andre;

sie würde für mich durch jedes Fegfeuer wandern;

uns aber schaudert vor barmherzigen Schwestern.

Geh! Noch kannst du zurück in dein Leben.

Du sollst einst nicht davor erröten,

dein Kind einem Krüppel ans Herz zu heben.

Auch nach Ruhe brauchst du nun nicht mehr zu streben;

es wird sie dir auf jeden Fall geben,

auch falls du wieder geruhst – es zu töten!


Er lächelt eisig; er glüht. Sie schweigt.

Sie steht wie über ihr Innres geneigt;

ohnmächtig duftet ihr Rosenstrauß.

Sie hebt die Stirn, sie schreitet hinaus,

ohne Gruß, ohne Blick. Zwei Menschen erbeben.

Quelle:
Richard Dehmel: Zwei Menschen. Berlin 1903, S. 119-121.
Lizenz:
Kategorien: