Achter Auftritt.

[231] NB. In dieser ganzen Scene dürfen die Reden des Landraths das Zwiegespräch zwischen Elise und Herrn v. Kiel fast gar nicht unterbrechen.

Vorige, ohne Ernestine.


ELISE. Bleib doch, Ernestine! – fort ist sie. –

LANDRATH. Jetzt muß ich hervor und wenn es das Leben kostet; aber Im Begriff hervorzutreten. was sage ich nur, warum ich hier gesteckt habe?

HERR VON KIEL tritt rechts hinter der Ecke der Mauer auf. Welch ein glücklicher Stern, schönstes Fräulein, Sie hier zu finden!

LANDRATH. O der Unglücksmensch, muß der mir in die Quere kommen! Zieht sich wieder zurück.

ELISE zögernd. Ich bin im Begriff, nach der Meierei zu gehn.

HERR VON KIEL. Erlauben Sie mir, Sie zu begleiten?

ELISE. Ich erwarte – Ernestine oder – Sie sieht sich um.

HERR VON KIEL. Ich warte mit Ihnen, wenn es mir[231] erlaubt ist. Pause. Sie sehen aber zerstreut und gar nicht gut gelaunt aus.

ELISE. Ich? daß ich nicht wüßte – doch ja, Herr von Kiel, ich habe manch Hühnchen mit Ihnen zu pflücken. Was haben Sie meiner Ernestine gethan? –

HERR VON KIEL. Peccavi, vergeben Sie mir, die Zunge ging mit mir durch; ich suche den ganzen Tag Gelegenheit, Mamsell Ernestine zu versöhnen.

ELISE. Gehn Sie, Sie sind doch zu Zeiten ganz abscheulich!

HERR VON KIEL. Aber auch nur zu Zeiten, nicht wahr?

LANDRATH. Nicht einmal ordentlich verstehen kann ich, was sie reden; o der Höllenmarter!

HERR VON KIEL. O sehen Sie nicht weg, lassen Sie mich meine Vergebung in Ihren Augen lesen! Er kniet. Verzeihung, strenge Richterin!

ELISE. Sie sind ein arger Schelm, stehn Sie auf.

HERR VON KIEL küßt ihre Hand. Engel des Erbarmens!

LANDRATH. Verflucht! Und dazu muß ich hier Schildwacht stehn, mit angezogenen Arm und Beinen.

ELISE. Aber nun, mein Herr Delinquent, die zweite Anklage.

HERR VON KIEL. Auch wieder eine Injurienklage?

ELISE. Das nicht, es betrifft ein Vergehen gegen mich.

HERR VON KIEL. Wie, ein Majestätsverbrechen?

ELISE. Sie haben mich heut belogen.[232]

HERR VON KIEL. Wie? Ich?

ELISE. Sie haben mir gesagt, das Gedicht sey von Ihnen, und das ist nicht wahr.

HERR VON KIEL. Wenn meine Königin geruhen will, sich zu erinnern – ich hab's auch nicht gesagt.

ELISE. Wie?

HERR VON KIEL. Ich habe nur in zweideutigen Ausdrücken gesprochen, habe nur die Wahrheit verschwiegen, eine Lüge habe ich nicht gesagt.

ELISE. O Sie würdiger Diplomat und Hauptspitzbube!

HERR VON KIEL. Morgen dachte ich Ihnen den Spaß zu erzählen, um Sie über den Einfall lachen zu machen, das, meine Königin, ist mein Vergehn.

ELISE lacht. Der Streich ist toll genug.

HERR VON KIEL lacht mit. Nicht wahr, er passirt?

LANDRATH. Jetzt lachen sie, sicher sprechen sie von mir.

ELISE. Aber es wird spät. –

HERR VON KIEL. Lassen Sie uns gehen, Mamsell Ernestine scheint auszubleiben.

ELISE für sich. Er ist doch wirklich nicht gekommen. Hat Ernestine ihn nicht gefunden? Oder ist er auch dazu zu blöde? Und da soll ich an Liebe glauben! –

HERR VON KIEL. So pensiv, meine Königin? Befehlen Sie über meinen Arm?[233]

ELISE legt ihren Arm in den seinigen. Wir wollen gehen. Sieht sich noch einmal um, für sich. Er wird doch nicht mehr kommen – ich weiß auch gar nicht, warum ich auf ihn warte –

HERR VON KIEL. Wollen Sie noch jemand erwarten?

ELISE. Ich? – bewahre – ich erwarte niemand, kommen Sie, kommen Sie! Rechts ab hinter der Mauerecke.


Quelle:
Eduard Devrient: Dramatische und dramaturgische Schriften, Leipzig 1846, S. 231-234.
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