Sechster Auftritt.

[74] Anna rechts, Konrad und Gertrud zu ihrer Linken. Heiling zurückstehend.


ANNA Heiling bemerkend.

Da ist er!


Sie eilt entsetzt an Konrad vorüber zu ihrer Mutter.

Lange Pause.

Heiling kommt schweigend vor, Konrad auf seiner rechten, Anna und Gertrud auf seiner linken Seite; gemessen zu Anna, kalt und düster.
[74]

Nimmermehr hatt' ich geglaubt,

Daß du so mich kränken könntest,

Mir so ungehorsam sein!

Doch ich will es dir verzeihn.


Etwas heftiger.


Bald bist du mein Weib,


Mit flammendem Blick auf Konrad.


und wehe

Dem, der zwischen uns sich stellt!


Zu Anna, wieder gemäßigt.


Schön geschmückt sind Haus und Hof,

Ihre Herrin zu empfangen.


Er öffnet das Schmuckkästchen, läßt Ketten und Juwelen hervorblitzen.


Nimm demnach als Leibgedinge

Diesen Schmuck, den ich dir bringe.


Anna schaudert zusammen.

Konrad blickt mit verschränkten Armen, finsteren Blicks auf den Vorgang.

Heiling reicht Anna den Schmuck hin.

Anna steht mit gesenktem Blick, die gefalteten Hände angstvoll windend.


GERTRUD kommt neugierig näher.

Heil'ge Jungfrau, welch ein Glanz,

Er verblendet mich noch ganz!

HEILING etwas heftiger.

Willst du mein Geschenk verschmähn,

Deinen Brautschmuck gar nicht sehn?

ANNA heftig abwehrend.

Fort, hinweg mit dem Geschenk!

HEILING naht sich mit dem Schmuck.

Willst du mein Geschenk verschmähn!

ANNA.

Nichts, o nichts will ich von Euch!


Sie steht stumm und in Todesangst da.


GERTRUD.

Ei, Kind, bedenk!

KONRAD für sich.

Gelüstet es dem Frechen,

Ein hartes Wort zu sprechen,

Soll dieser Arm es rächen![75]

HEILING für sich, mit wütendem Blick auf Konrad.

Welch trotziges Erfrechen!

Nur er lehrt so sie sprechen,

Sein Verderben soll es rächen!

KONRAD für sich.

Gelüstet es dem Frechen,

Ein hartes Wort zu sprechen,

Soll dieser Arm es rächen!

GERTRUD zu Anna.

Mein Kind, du mußt zur Sühne sprechen,

Sonst wird der Friede brechen.

HEILING mühsam gemäßigt zu Anna.

Nicht bedacht hast du dein Wort,

Fremder Eifer riß dich fort.

's ist dein Leibgedinge,

Was ich bringe.

Ich, der Bräut'gam deiner Wahl!


Heftig ihre Hand fassend.


Bald dein Herr und dein Gemahl!


Anna reißt sich los, flieht an Heiling vorüber zu Konrad hinüber.

Gertrud eilt, Schutz suchend, nach hinten.


ANNA zu Konrad.

Wenn du mich liebst, so schütze mich!


Auf Heiling weisend.


Er ist ein Erdgeist!

HEILING stürzt zusammen.

Ha!

KONRAD.

Was höre ich?

ANNA schnell.

Glaubt mir doch, das war es ja,

Was ich vorhin im Walde sah.

Er stammt aus dem Reich der Zwerge,

Ist ein Geisterfürst der Berge!


Konrad setzt Anna auf den Stuhl am Tisch rechts und tritt entschlossen an Anna vorüber vor Heiling hin.

Gertrud tritt erbebend Anna zur Rechten.


KONRAD.

Beim heil'gen Hubert beschwör' ich dich,

Hebe dich hinweg von hier!

Sonst, bei Gott, versuche ich


Die Hand am Fangmesser, aber ohne es zu ziehen.
[76]

Den blanken Stahl an dir!

HEILING noch am Boden, sich mühsam halb aufrichtend, mit starrer Kälte.

Alles dahin!

KONRAD wendet sich zu Anna, die er in seine Arme zieht.

Frei bist du, frei!

Trotz seinem tück'schen Drohn!

GERTRUD.

Gott steh uns bei!

KONRAD.

Frei bist du, frei!

Ich lach' des Kobolds Wut!

GERTRUD.

Gott steh uns bei und still das feindliche Drohn!

ANNA.

Gott steh uns bei! Stille das feindliche Drohn!

KONRAD.

Frei bist du, frei, trotz seinem tück'schen Drohn!

Ich lach' des Kobolds Wut, ich lach' des Kobolds Wut!

HEILING für sich.

Hei, hei! Wie sie drohn, welch lustiger Hohn!

GERTRUD UND ANNA.

Gott steh uns bei, stille das feindliche Drohn,

Der Rache flammende Wut!

KONRAD wendet sich zu Anna.

Frei bist du, frei! Ich lach' des Kobolds Wut!

Frei bist du, frei! –

HEILING rafft sich auf, zieht einen Dolch aus seinem Gürtel, schleicht sich hinter den abgewandten Konrad und führt von rückwärts blitzschnell einen Stoß auf ihn.

Hei, hei, hei, hei!


Konrad strauchelt von der Gewalt des Stoßes und sinkt zusammen.

Heiling stürzt hohnlachend Mitte rechts hinaus; man sieht ihn draußen am Fenster vorüber nach links entfliehen.


ANNA wirft sich über Konrad.

Konrad, Geliebter!


Die beiden Frauen beschäftigen sich mit dem zu Boden gefallenen Konrad.

Im zweiten Takte nach Schluß des Gesanges fällt der Vorhang.
[77]

Quelle:
Heinrich Marschner: Hans Heiling. Leipzig [1895], S. 74-78.
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