Zweiter Auftritt.

[79] Heiling. Chor der Erdgeister.


CHOR DER ERDGEISTER.

Wer rief uns?

Wer beschwört der Tiefe Geister,

Wer ist so kühn und nennt sich ihren Meister?

HEILING.

Ich bin's! Erkennet mich, meine Brüder!

Der Erde müde, kehr' ich wieder,

Ich hab auf ewig ihr entsagt.

CHOR DER ERDGEISTER.

Hast du nun an uns gedacht,


Sie treten nahe an Heiling heran, sehen ihm ins Gesicht.


Da dein Mädchen dich verlacht?

HEILING höhnisch.

Das Lachen hat sich schnell gewandt,

Ihr Buhle fiel von meiner Hand!

CHOR DER ERDGEISTER unter sich.

Hahaha! Seht doch an!

Wie Meister Heiling prahlen kann!


Zu Heiling.


Der Jäger ist frisch,

Gesund wie ein Fisch.

HEILING.

Er lebt, sagt ihr?

CHOR DER ERDGEISTER.

Du trafst ihn schecht,[79]

Er lebt und sitzet warm

In seines Liebchens Arm.

HEILING bebend.

So wär ich nicht gerächt? Nicht?

CHOR DER ERDGEISTER klar und deutlich.

Dein Schätzchen ist des Jägers Braut

Und morgen wird's ihm angetraut.

HEILING.

So rächet ihr denn eures Königs Schmach,

Zur Hochzeit gehen wir, mir nach!

CHOR DER ERDGEISTER wendet sich von ihm.

Hast dich ja von uns losgesagt,

Geh hin und prüfe deine Macht!

HEILING.

Sprecht ihr eurem König Hohn?


Herrisch.


Nieder, mir zu Füßen,

Euren Trotz zu büßen!

CHOR DER ERDGEISTER sich wieder nähernd und ihm ins Gesicht höhnend.

Wo ist deine Krone,

Wo dein Herrscherstab?

Sag, wo ist dein Buch,

Dessen Zauberspruch

Uns in Fesseln schlug?

HEILING hilflos.

Mein Buch, mein Hort,

Meine Krone fort!

CHOR DER ERDGEISTER.

Hihihihihihi!

Wolltst dich überheben,

Auf der Erde leben,

Nur gemach,

Die Reu' folgt nach!


Sie wenden sich wieder zurück.

Die Zwerge kichern.


HEILING verzweifelnd.

Ha! Das Geisterreich stößt mich zurück,

Und hin ist auch mein Erdenglück!

Alles, alles ist verloren,

O des Thoren, des Thoren!


Er schlägt sich mit beiden Fäusten gegen die Stirn und stürzt zusammen.
[80]

CHOR DER ERDGEISTER umgiebt ihn.

Jetzt ist er unser auf immerdar!


Diejenigen, welche rechts stehen, strecken die rechte Hand, diejenigen, welche links stehen, die linke Hand über Heiling aus.

Zu den Zwergen.


Jetzt eilig hin,

Eilig hin zur Königin!

SECHS ZWERGE huschen nach rechts hinten fort.

CHOR DER ERDGEISTER zu Heiling.

Hör uns an, verzweifle nicht.

Ob auch der Menschen Treue bricht,

Die Geister halten streng an Pflicht.


Die sechs Zwerge kehren von rechts hinten zurück; der eine trägt das Scepter auf einem Kissen.


CHOR DER ERDGEISTER.

Willst du wieder uns gehören,

Dich uns ganz zu eigen schwören –


Die sechs Zwerge knieen im Halbkreis neben Heiling.


CHOR DER ERDGEISTER nach dem Scepter hinzeigend, das die Zwerge gebracht.

Soll dieses Scepter wieder dein

Und unsre Macht dir dienstbar sein!

HEILING.

Alles, alles will ich euch versprechen,

Laßt mich meine Schmach nur rächen,

Rache! Rache nur will ich!

CHOR DER ERDGEISTER sich um ihn drängend, ihm knieend das Scepter reichend.

So nimm es hin! Wir rächen dich! Wir rächen dich!


Sie erheben die Hände.


HEILING.

Habt Dank, habt Dank, ihr Brüder!


Er nimmt das Scepter, sich aufrichtend.


Jetzt, jetzt bin ich König wieder.


Chor der Erdgeister steht auf.


HEILING vorschreitend, drohende beschwörende Bewegung bei den gesperrten Worten.

Es nahet die Rache,

Wehe euch beiden,

Ihr triumphieret nicht!

Wenn ihr beim Feste[81]

Im Taumel der Freuden,

Beim Feste im Taumel der Freuden,

Dann halte ich Gericht.

CHOR DER ERDGEISTER.

Es nahet die Rache,

Wehe euch beiden,

Ihr triumphieret nicht!

Wenn ihr beim Feste

Im Taumel der Freuden –

HEILING.

Wenn ihr beim Feste

Im Taumel der Freuden,

Dann halte ich Gericht!

CHOR DER ERDGEISTER.

Wenn ihr beim Feste

Im Taumel der Freuden,

Dann halten wir Gericht!

Sie bleiben in dieser drohenden Stellung bis zum Fallen des Vorhangs, versinken nicht wieder.

Heiling eilt ab nach rechts.

[82] Verwandlung.

Felsenhöhlenreich der Königin.

Wald- und Felsengegend.

Zur Rechten auf Stufen eine Kapelle.

Es ist heller Tag.

Nr. 15. Bauernhochzeitsmarsch auf der Bühne links außerhalb.

Der Vorhang hebt sich mit dem vierten Takte.
[83]


Quelle:
Heinrich Marschner: Hans Heiling. Leipzig [1895], S. 79-84.
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