14.

[235] Wißt ihr, was eines Dichters Brust durchwühlt?

Ihn quält das Todesröcheln eines Lammes;

Verwandt ist alles ihm, was lebt und fühlt,[235]

Und was Gedanken hat, ist seines Stammes.

Er sucht in Freundesherzen seine Wohnung,

Beharrlich, trotz der Seltenheit des Fundes,

Und mehr als karg gespendete Belohnung

Rührt ihn das treue Auge seines Hundes.

Er kann nicht ernten, was er ausgesät;

Die Gegenwart belächelt dessen Meinung,

Der in so mancher schillernden Erscheinung

Nichts achtet als des Todes Majestät;

Heil wünscht er jedem, der mit voller Hand

Sich zu den Armen und Verlass'nen wendet,

Der seinen Trost aus kühlen Bronnen spendet,

Heil dem Propheten in der Sonne Brand!

Nicht jeder Dichter ist ein Quellenfinder;

Doch allen schwebt das Wort des Meisters vor:

»Unsterbliche heben verlorene Kinder

Mit feurigen Armen zum Himmel empor.«

Quelle:
Ludwig Ferdinand Schmid: Dranmor’s Gesammelte Dichtungen, Frauenfeld 41900, S. 235-236.
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