CXI.

Geschichte des Capuciners von Malta; seine Art, das mit Eiß abgekühlte Wasser bey unterschiedlichen Krankheiten zu gebrauchen, und verschiedene besondere Curen von ihm.

[236] Man hat vieles von dem Wasser geschrieben, aber seit dem Pindarus, der gesagt hat, daß nichts bessers als das Wasser wäre, hat kein Mensch so erstaunliche Dinge davon geschrieben, die mit den ganz besonders wurderbaren Curen, welche der Capuziner von Malta mit Wasser bewerkstelliget hat, in Vergleichung gesetzet werden könnten. Dieser Vater hiese Bernhard Maria von[236] Castrogianne, und war ein Sicilianer. Er hat zu Palermo so erstaunliche Curen gemacht, daß er, da er A. 1724. in der Absicht nach Venedig zu reisen, nach Malta kam, von unterschiedlichen kranken Rittern ersuchet wurde, auf dieser Insul zu bleiben. Seine Curen, die er vermittelst des Eises und des damit abgekühlten Wassers gethan hat, sind unbegreiflich. Man findet in dem Mercurio von A. 1723. und 1724. unterschiedliche Briefe, in denen sie ausführlich beschrieben sind. Ich will nur einen davon anführen, der schon hinlänglich seyn wird, den Leser in Erstaunen zu setzen.


»Merken sie nun, meine Herren, grosse und kleine, auf die Geschichte des Arztes des mit Eiß abgekühlten Wassers. Ein Sicilianer, der seinem Stand nach ein Priester und Capuciner, ein Sohn eines Apotheckers, zugleich Doctor in der Arzneykunst und ein berühmter Chymist ist, und sich seit sechs Wochen allhier aufhält, (dieses Schreiben ist vom 12. Julius 1724. datiret) hat, ich weis nicht ob aus christlicher Liebe, aus Eitelkeit, oder aus Bosheit wider die Facultät, solche Uebel curiret, die, wie man glaubte, den Aerzten ganz unbekannt waren. Bemerken sie folgenden Umstand. Der Graf von Bevern, ein Deutscher, war seit drey Monaten mit einem Herzklopfen, das mit zuckenden[237] Bewegungen begleitet war, behaftet, er spürte einen so heftigen Frost auf der Brust, daß er auch nicht einmal in den Hundstagen die Luft, die doch sehr warm war, vertragen konnte; er war beständig mit Pelzwerk auf der Haut, und über dieses mit Westen und Ueberröcken gehörig bekleidet; ausser dieser Kleidung, die er des Tages über anhatte, lag er noch sehr warm zu Bette, in der Nacht konnte er keinen Finger aus seinen Bedeckungen hervor ziehen, ohne fast zu Eiß zu werden, und Zuckungen zu bekommen. Der Capuciner nahm ihm gleich zum Anfang alle seine unnützen Oberkleider ab, brachte ihn an die Luft, und brachte innerhalb vier und zwanzig Stunden, blos mit ordentlichen Wasser, das aber mit Eiß abgekühlet, und beynahe gefroren war, so viel zu wege, daß der Graf von Bevern weder seine Schwachheit auf der Brust, noch die gewöhnliche Kälte, die er vorhero ausgestanden hatte, mehr spürte; die Zuckungen hörten auf, er schlief zum Verwundern, und befand sich fast schon völlig gesund, sein Herzklopfen ließ sehr stark nach, und alles dieses geschahe in einer Zeit von fünf Wochen.«


»Der Commentur Guarena, ein Piemonteser, wurde von der Facultät dem freyen Willkühr, eines Polypi oder Scirrhi (einer harten Geschwulst)[238] übergeben, der sich wirklich angesetzet haben mag oder nicht, übrigens aber an die Seite längst der Leber angewiesen wurde, und so hart war, daß er nicht nachgabe, wenn man ihn mit der Hand anfühlte; äusserlich zeigten sich alle Zufälle eines mit Verstopfungen angefüllten Menschens; ein trockener und hagerer Körper, ein bleiches Angesicht etc. Dieser Scirrhus wurde durch die Wirkung des Wassers erweichet; vierzehen Tage nachher empfand der Patient alle Arten des Schmerzens. Endlich nahm die Härte nach und nach ab, so wie sich in seinem Urin von Zeit zu Zeit eine gewisse Materie wie Kreide zeigte, die so schleimig war, daß man sie mit dem Messer schneiden konnte; und der Herr Guarenna erholte sich von seiner Mattigkeit, sein Gesicht bekam seine natürliche Farbe, und er wurde wieder völlig gesund.«


Ein Priester, der ein bösartiges Fieber hatte, kam in drei Tagen wieder auf die Füsse: indem man dem Fieber gleich im Anfang so bald als es für bösartig erkläret wurde, begegnete. Ein Spanier, der Page bey dem Grosmeister war, verlohr sein Fieber, nachdem ihn die Aerzte schon aufgegeben und er das H. Sacrament empfangen hatte, durch Hülfe des Capuciners, in drey Tagen. Er übernahme ihn in diesem Zustand, ließ die Fenster[239] aufmachen, und ihm mit Eiß abgekühltes Wasser einnehmen. Er behauptete, daß er die Wassersucht in kurzer Zeit mit Wasser curiren wollte, und verlangte, daß man ihm dergleichen Patienten übergeben sollte.


Der Balley Ruffo lag an einem heftigen Fieber darnieder, das mit einem Durchlauf und Zwang nebst jämmerlichen Schmerzen begleitet war. Da ihm alles nichts helfen wollte, ließ er den Capuciner holen, und nahm Wasser ein; in den ersten vier und zwanzig Stunden war das Fieber und alle Schmerzen weg. Den folgenden Morgen kam der Durchlauf heftiger und gieng eine grüne Materie in Menge von ihm; den dritten Tag sahen wir ihn bey dem Grosmeister, worüber ich mich nicht genugsam verwundern konnte, da ich ihn des Morgens noch in seinem Bett gesehen hatte.


Alles was ich ihnen schreibe, mein lieber Herr Balley, das habe ich selbst gesehen und gehöret: ich bin gar nicht sonderlich für das Wasser eingenommen, und glaubte nicht daß solches zu etwas andersts gut wäre, als unsere Gläser zu reinigen, und unsere Rinnen abzuwaschen etc.


Die Art seiner Cur war folgende. Man kühlte das Wasser so stark als möglich mit Eiß oder mit Schnee ab, und tranke des Morgens drey grosse Becher davon, und so den übrigen Tag fort, bis[240] auf sechs und dreysig; essen durfte man nichts, und zwar am wenigsten in den ersten Tagen. Wenn man schwach wurde, so gab er dem Patienten des Abends an statt einer Speise zwey oder drey Gläser Wasser mit zwey oder drey Eyerdottern. Nachgehends asse man ein halbes junges Huhn, eine junge Taube, oder zwey bis drey Unzen sicilianische Makaronen nach Beschaffenheit der Umstände etwas mehr oder weniger; so wie der Capuciner den Zustand seines Kranken befindet, so nimmt man weniger oder mehr Wasser und Speisen. Er verlässet seine Kranken niemals, und giebt beständig auf ihren Puls Achtung. Das Wasser ist von der Wirkung, daß es entweder Kopfschmerzen, oder eine ausserordentliche Hitze, Schmerzen in den Eingeweiden, ja so gar den Durchlauf verursachet, und alle alte Uebel wieder verneuert. Sein Mittel wider den Durchlauf ist dieses: er läst den Patienten mit im Eiß abgekühlten Wasser clistiren, und zugleich dergleichen Wasser für die Schmerzen in den Eingeweiden trinken, und den Bauch mit Eiß reiben. Wider die Hitze verfährt er eben so, er reibt den Kopf und den Magen mit Eiß. Wenn sich wiederum Lendenschmerzen, oder ein Fluß zeiget, so wird der leidende Theil mit solchem Eiß gerieben etc.


Auf solche Art curirte dieser medicinische Capuciner die mehresten Uebel welche die Wissenschaft,[241] die Kunst und den Verstand eines Arztes auf die Folterbank legten. Galenus hatte eine Art die hitzigen Fieber zu curiren, die von der Art des Capuciners von Malta nicht viel unterschieden war; denn wenn er dem Kranken eine Ader hatte öffnen lassen, so verordnete er kaltes Wasser und zwar in grosser Menge; dadurch wurde die Hitze des Fiebers gedämpfet, und der Kranke schwitzte stark und leicht, und genasse auf solche Art in kurzer Zeit: Wenn Galenus die Kranken des jetzigen Jahrhunderts und zwar hauptsächlich in der Hauptstadt des französischen Flanderns curiren sollte, so würde man ihn daselbst für einen Dummkopf, für einen Schwärmer, für einen Unwissenden und Narren halten, wie öfters sehr geschickte Aerzte, durch das neidische und heimtückische Geschrey einiger Quacksalber, allda dafür gehalten werden, die der Eigennutz der Wundärzte und einiger Mönche gelegentlich zu beschützen weis, damit sie das Vertrauen des Publici desto besser mißbrauchen können.


Das Wasser hat, nachdem es auf verschiedene und nach dem Zustand und Temperament der Kranken abgemessene Ärten gebrauchet wird, fast alle die Kraft der andern Arzneymittel in sich: es reizet zum Erbrechen, führet durch, es löset die Verstopffungen auf, ist schweißtreibend, dienet wider den Krampf etc. und vertreibet so gar die Kröpfe.

Quelle:
[Dumonchaux, Pierre-Joseph-Antoine] : Medicinische Anecdoten. 1. Theil, Frankfurt und Leipzig 1767 [Nachdruck München o. J.], S. 236-242.
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