XXVIII.

Gebrauch der Gothen in Ansehung der Aerzte.

[52] Man findet dasjenige, was hier von den Sitten und Gewohnheiten der Gothen folget, in dem chronologischen Auszug der Geschichte von Spanien (Abregé Chronologique de l'Histoire d'Espagne.) Der Stand eines Arztes war bey ihnen eine betrübte und sehr gefährliche Sache: ein jeder Arzt war zu gleicher Zeit der Wundarzt und der Apothecker. Ungeachtet wir nicht mehr unter den Gothen leben, so sehen wir doch noch Leute genug, welche diese drey Künste in sich vereinigen, ob gleich die Unverschämtheit und die Charlatanerie ihre einige Geschicklichkeit ausmachet; mögten sie doch eben dieses Schicksal auszustehen haben, welches ihres gleichen bey diesem barbarischen Volk erfuhren. Ein solcher alles besorgende Mensch machte zuvörderst, ehe er noch etwas unternahm, mit dem Kranken wegen der Bezahlung Richtigkeit; starb der Kranke, so verlohr der Schüler des Hyppocrates seine Bezahlung; geschahe es, daß er einen freyen Menschen durch eine Aderläß lähmte, so wurde er verurtheilet, selbigem hundert goldene Stüber zur Strafe zu bezahlen, (ein solcher Stüber machte funfzehen fränzösische[53] Livres aus) starb aber ein Mensch an einer chirurgischen Operation, so wurde der unglückselige Arzt zu einen Sclaven gemacht, und den Anverwandten des Verstorbenen übergeben, die ihn nach ihren Belieben bestraften, ihm jedoch aber das Leben nicht nehmen durften. Wurde aber nur ein Sclav von einem unwissenden oder ungeschickten Arzt ums Leben gebracht, so kam er damit los, daß er einen andern Sclaven von der nämlichen Güte wieder an dessen Stelle verschaffen muste.

Quelle:
[Dumonchaux, Pierre-Joseph-Antoine] : Medicinische Anecdoten. 1. Theil, Frankfurt und Leipzig 1767 [Nachdruck München o. J.], S. 52-54.
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