XXVII.

Welche Gefahr aus solchen Recepten entstehen kann, die von unwissenden Leuten verordnet werden.

[49] Folgender Titel zeiget von einem Buch, in welchem Thorheiten genug zu finden seyn müssen: Der medicinische Barbierer, oder Blumen des Hyppocrates, in welchen die Wundarzneykunst[49] den Schlangenschwanz wieder ergriffen hat; von Johann Michault, Paris, Guignard 1672. in 12. Fig. Es ist erstaunlich, mit welcher Wuth die Wundärzte fast zu allen Zeiten anderer Leute Künste zu treiben gesuchet haben. Optat Ephippia bos piger etc. Dieses lässet sich wohl am besten auf diesen Fall anwenden. Ein Schriftsteller, dessen Werk mit Beyfall aufgenommen worden ist, ist bey weiten nicht so vergnügt, wie ein Wundarzt der ein Recept geschrieben hat. Er glaubt nicht, daß man ausser seinen zwey Quenten Gallenblasen und seinen zween Finger voll Coriander, eine bessere Arzney erdenken könne, und mehrestentheils häufet er alle purgierende Arzneyen, die er kennet und die er nicht kennet, ohne Vernunft und Einsicht, in seiner Formul zusammen. In einer Stadt in Artois verordnete der Lieutenant des ersten Wundarztes des Königes, einer Frau von funfzig Jahren, die ein sanguinisches Temperament hatte, und von einem heftigen Catarr-Fluß angegriffen war, der ihr ein anhaltendes Fieber, mit wiederholten Anfällen verursachte, zwey Purganzen, in folgenden Recepten, welche wegen ihrer ganz besondern Art, und weil sie so deutlich zu erkennen geben, mit welcher Obermacht die Wundärzte die Arzneykunst zu besorgen pflegen, verdienen, ganz angeführet zu werden.
[50]

Senetblätter, eine Unze.

Cassia fistula, vier Unzen.

Sal nitrum, zwey Quent.

Süßholz, zwey Unzen.

Epson-Salz, vier Unzen.


Alles zusammen in zwey gute Gläser zu füllen: bey der Filtrirung müssen zwey Unzen Sirup von Weegdorn oder Kreuzbeer-Stauden, (de Rhamno Catharctico) und zwey Scrupel vom Diagrydio dazu genommen werden.


Für die Frau C--- für diesen Abend, solches in zwey Tagen einzunehmen.

den 29. Junius 1741.


Ein Purgiertrank von drey Quent Senetblätter


Zwey Unzen Tamarinden

Vier Unzen Caßia

Eine Handvoll Wermuth

Eine Handvoll Tausendgülden-Kraut.


alles zusammen in anderthalb Kannen Wasser gethan, und in zwey gute Gläser gefüllet, und filtriren lassen, da man noch


vier Unzen Sirup von Weegdorn

ein Quent Cornachins-Pulver

zwey Scrupel vom Diagrydio dazu nehmen muß.
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Dieses alles für die Frau C--- in das erste Glas das man ihr giebt, muß man noch sechs Gran Tartari Stibii thun,


Für die Frau C--- etc.

den 2. July 1741.


Diese Purganz oder vielmehr dieses Gift, wie die Aerzte von Paris, welche von diesem Zeugnisse der Geschicklichkeit der Wundärzte Gebrauch gemacht hatten, sich in ihren dem König übergebenen Vorstellungen ausdruckten, brachte die Eingeweide der Kranken in eine Schwürung, und verursachte ein übermäßiges purgiren, welches auf keine Art mehr konnte angehalten werden, so daß sie fast auf der Stelle davon des Todes war. Ihr Tod verursachte, wie man leichtlich vermuthen kann, vieles Aufsehen, der Magistrat wollte diesen Zufall gründlich bewiesen haben, und ließ die beyden Recepte des Wundarztes zu dem Stadtschreiber bringen, wo selbige noch befindlich sind. Dieses Beyspiel kann dem Publico zu einer nützlichen Nachricht dienen, aber der Wundarzt ist doch nicht gehenket worden, ob er solches gleich ganz wohl verdienet hätte.

Quelle:
[Dumonchaux, Pierre-Joseph-Antoine] : Medicinische Anecdoten. 1. Theil, Frankfurt und Leipzig 1767 [Nachdruck München o. J.], S. 49-52.
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