XXXIV.

Die Brüder vom Rosenkreuz.

[64] Sollte man wohl glauben, daß die Arzneykunst auch ihre Schwärmer habe? Gleichwohl sind die Brüder vom Rosenkreuz wirklich dergleichen gewesen. Sie machten eine chimerische Brüderschaft einiger Gelehrten aus, die, wie man sagte, seit A. 1604. sollte in Deutschland errichtet worden seyn. Die Absicht ihrer Einrichtung hatte eine allgemeine Verbesserung der Welt, jedoch nur in Ansehung der Wissenschaften zum Grund. Sie hatten gewisse Regeln und Ordnungen; sie machten sich zum Exempel verbindlich im ledigen Stand[64] zu verbleiben etc. Dergleichen Beschäftigungen, waren der Gegenstand ihrer Untersuchungen; sie legten sich auf die Naturlehre in allen ihren Theilen, hauptsächlich aber und mit noch besonderern Fleiß auf die Arzneykunst und Chimie. Sie waren ihrem Vorgeben nach Leute, die alles verstunden, und die den Menschen eine neue Weisheit versprachen, welche ihnen vorhers noch nicht entdecket worden wäre.


Mit diesen verführerischen Versprechen, mit welchen sie sich selbst zu erst hintergiengen, vereinigten sie noch das Wunderbare.


Man ist leichtlich geneigt, das Wunderbare zu glauben, so wenig man auch davon begreifet wenn es uns nur mit einer gewissen scheinbaren Art vorgetragen wird. Eine umständliche romanenmäßige Beschreibung von dem Leben ihres Stifters gab ihren Reden ein Ansehen, und erhielte ihre Schwärmerey im Stand. Er war A. 1578. in Deutschland gebohren. In einem Alter von fünf Jahren wurde er, wie sie sagten, in ein Kloster eingeschlossen, wo er die griechische und lateinische Sprache lernete. Da er sechzehen Jahr alt war, so machte er sich mit einigen Zauberern bekannt, um von ihnen ihre Kunst zu erlernen; er gieng darauf in die Türkey und nach Arabien,[65] von da er sich nach Damcar begab; dieses Damcar ist eben eine solche nur in Gedanken befindliche Stadt, wie ihr Patriarch selbst, die von Philosophen bewohnet wird, welche in der Kenntniß der Natur eine ausserordentliche Geschicklichkeit besitzen: man entdeckte ihm unterschiedliche Geheimnisse, und eröfnete ihm, daß man seiner schon seit langer Zeit erwartet hätte, und daß er der Urheber einer allgemeinen Verbesserung auf der ganzen Welt seyn würde. Es ist also etwas sehschmänchelhaftes, über die Meynungen der Menschen zu herrschen, weil dieser Begrif die Gemüther zu allen Zeiten so sehr eingenommen hat.


Nachdem er sich drey Jahr lang zu Damcar aufgehalten hatte, so reißte er ab, und begab sich nach Fetz, einer Stadt in der Barbarey, woselbst er sich mit den Weisen und Kabbalisten unterhielte; darauf gieng er nach Spanien, wo er vertrieben wurde, und sich endlich nach Deutschland verfügte, wo er in einer Höhle bis in sein hundert und sechstes Jahr lebte. Diese Höhle war, wie der Geschichtschreiber seines Lebens (Johann Brigere) saget, von einer Sonne erleuchtet, die in dem Innersten derselben war, und ihr Licht von der Sonne bekam, welche die Welt erleuchtet. Mitten darinnen war ein runder Altar erhöhet, der[66] mit einer kupfernen Platte rings herum bedecket war, auf welcher diese Carackteres A.C.R.C. Bey meiner Lebenszeit habe ich mir einen Auszug des Lichts zu einem Grab vorbehalten, zu lesen waren. Neben herum waren vier Figuren zu sehen, deren eine jede ihre Aufschrift hatte: bey der ersten stunden die Worte: niemals leer; bey der andern: das Joch des Gesetzes; bey der dritten: die Freyheit des Evangelii; und bey der vierten: die ganze vollkommene Herrlichkeit GOttes. Man fande auch brennende Lampen, Glöckchen, Spiegel von unterschiedlicher Art, und einige Bücher, unter andern auch das Wörterbuch des Paracelsus, und die kleine Welt ihres Stifters, daselbst.


Eine der ersten Verordnungen ihrer Brüderschaft befahl, ihre Gesellschaft wenigstens hundert Jahr lang verschwiegen zu halten. Ein Glaube mag noch so unvernünftig gewesen seyn, so hat es ihm doch niemals an getreuen Anhängern gefehlet, dieser fande deren viele unter wohl unterrichteten Leuten: Michael Mayer hat ein Buch von ihren Verordnungen geschrieben, und Robert Flüde hat sie wider den Pater Mersenni und wider den Gassendi vertheidiget.

Quelle:
[Dumonchaux, Pierre-Joseph-Antoine] : Medicinische Anecdoten. 1. Theil, Frankfurt und Leipzig 1767 [Nachdruck München o. J.], S. 64-67.
Lizenz: