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LXIV.

Besondere Antipathien, und zwar besonders diejenige, welche ein junger Student der Arzneykunst wider den Wermuth hatte.

[134] So besondere Sympathien es giebt, eben so ausserordentliche Antipathien kann man selbigen entgegen setzen! Ich habe einen schottländischen Obrist-Lieutenant gekannt, der keinen Frosch sehen noch quaxen hören konnte, ohne daß es ihm übel wurde; es giebt viele Personen, denen es, wenn sich eine Katz gegenwärtig befindet, eben so zu Muth wird; einigen thut der Geruch ja wohl gar schon der Anblick eines Käses Schaden. Begebenheiten dieser Art giebt es ohne Zahl: ich will eine dergleichen anführen, welche den Chymisten gefallen wird. Es befande sich vor einiger Zeit unter der grossen Menge junger Leute, die zu Leyden die Arzneykunst studieren, einer, der die stärkste Antipathie wider den Wermuth hatte. Er hätte nicht so viel als ein Stecknadel Kopf ausmachet, davon zu sich nehmen können, ohne das heftigste Erbrechen auszustehen. Man mochte ihn unter einer Zubereitung verbergen, ihn vermischen, oder verändern wie man wollte, sein Magen wuste ihn allezeit zu bemerken, und das Erbrechen stellte sich augenblicklich ein. Ein Chymist, den die Lehre seiner[135] Mitbrüder von der Gleichförmigkeit der Salium Alcalium fixorum, vegetabilium, nicht befriedigen wollte, fand in der besondern Neigung dieses jungen Menschens ein Mittel eine Gewisheit zu erlangen, was an dieser Meynung wahr seye. Er nahm einstmalen viel Wermuth, ließ solchen trocken werden, machte Feuer darunter an, verbrannte ihn zu Aschen, wusche hernach diese Asche, und zog das Sal fixum davon über, welches fast die mehresten Pflanzen, wenn sie auf solche Art tractiret werden, in grösserer oder geringerer Menge von sich geben. Er reinigte dieses Salz und ließ es calciniren, um ihm mit Hülfe des Wassers und des Feuers, alles was es von fremden Theilen noch an sich haben konnte, zu benehmen: worauf er dem jungen Mediciner eine gewisse Menge von diesem also zubereiteten Salz einnehmen liese, ohne daß er etwas davon wuste. Er empfande gleich einige Zeit, nachdem er es eingenommen hatte, Aengsten und einen Trieb zum Erbrechen, der ihm zu erkennen gab, daß man ihm Wermuth eingegeben hatte. Enthielte dann dieses gewaschene, gereinigte, und calcinirte Salz noch etwas von dem Wermuth in sich, von dem es herkame? Hatte es denn also gewisse Eigenschaften, welche andere Salze, die aus andern Pflanzen übergezogen werden, nicht an sich haben? Sind denn folglich die festen Salze nicht alle ihrem Wesen[136] nach ein ander so vollkommen gleich, daß sie durch keines der geringsten Stückgen einer fremden Materie voneinander unterschieden wären?

Quelle:
[Dumonchaux, Pierre-Joseph-Antoine] : Medicinische Anecdoten. 1. Theil, Frankfurt und Leipzig 1767 [Nachdruck München o. J.], S. 134-137.
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