VII.

Haare, welche an einem Cadaver 43.

[9] Jahre nach dessen Absterben wieder gewachsen waren.


Die Haare haben gleichfals diese besondere Eigenschaft, daß sie noch nach dem Tod wieder wachsen. Das englische gelehrte Tagbuch erwähnet einer Frau aus Nürnberg, deren Haare drey und vierzig Jahre lang nach ihrer Beerdigung durch die Spalten des Sarges heraus gewachsen waren; der Körper war noch ganz zu sehen und hatte noch vom Kopf bis auf die Füße ein menschliches Ansehen, er war über und über mit einem langen und sehr dicken Haar bedecket, zwischen welchen man die Augen, die Nase, den Mund und die übrigen Theile sehr deutlich unterscheiden konnte. Das allerbesonderste dabey war, daß dieser Körper unter zwey andern begraben lag, die zu Asche zusammen gefallen waren. Aber wie groß war nicht das Erstaunen des Todengräbers, als dieser Körper, da er den erhabensten Theil des Kopfes davon anfassen wollte, plötzlich verschwand, und unter seiner Hand zerfiele, so daß ihm nichts als eine Hand voll Haare in der Faust bliebe, und er nach diesem weder die Hirnschaale noch Knochen noch was anders ausser einen etwas festen Theil fande, weicher wie er glaubte[10] zu der grossen Zehe des rechten Fusses gehörte. Dieses Haar kam ihm anfänglich etwas rau und nachgehends noch rauer vor, es war roth und etwas lockigt, aber verfault.


Man schrieb, um diese Nürnbergische besondere Begebenheit desto glaubwürdiger zu machen, aus eben diesem Land, daß ein Körper eines Verbrechers, welcher wegen Diebstahls gehänget wurde, über und über mit Haaren wäre bedecket worden, ob er gleich noch nicht seit gar langer Zeit an dem Galgen hienge.


Thomas Bartholinus hat über die Haare eine Anmerkung gemachet, welche verdiente bestätiget zu werden. Er schreibt, daß die Haare, welche bey den Personer, da sie noch lebten schwarz oder grau waren, öfters nach ihrem Tod, wann man sie ausgräbet, oder ihr Grab öfnet, weiß würden, so daß ihre Anverwandten sie kaum noch erkennen könnten. Woher mag wohl eine solche Veränderung kommen?

Quelle:
[Dumonchaux, Pierre-Joseph-Antoine] : Medicinische Anecdoten. 1. Theil, Frankfurt und Leipzig 1767 [Nachdruck München o. J.], S. 9-11.
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