VI.

Ein Cadaver, an welchem die Nägel zwanzig Jahr nach dessen Tod wieder gewachsen waren.

[8] Daß sich unsere Theile durch die Nahrungssäfte welche unsere Organa verwandeln, ernähren, und ihr Wachsthum erhalten; daß ein organischer Lebens-und Wachsthums-Trieb den Verlust, welchen unsere Theile beständig fort leiden, wieder ersetzet, alles dieses ist kein sonderliches Wunder, sondern der Ordnung der Natur gemäß; aber daß ein bereits schon zwanzig Jahr-lang verstorbener Mensch noch Kennzeichen des Wachsthums von sich giebet; ist ein Umstand, an welchem man zu zweifeln Ursache hätte, wenn das grosse Ansehen des berühmten Boyle und des weltbekannten Paree nicht allen Argwohn diesfals benähme. Wer sollte wohl glauben, daß Paree ein Cadaver erhielte, dem die Nägel kurze Zeit, nachdem er sie abgeschnitten hatte, wieder so groß als vorhero wuchsen? Inzwischen führet Boyle diesen Umstand in seinem Tractat von dem Ursprung der Formen und Qualitäten an. Was für seltsame Dinge zeigen sich in der Natur! Wie gerne hintergehet sie uns und verbirgt uns ihre Geheimnisse!


Repub. des Lett. Fev. 1688. p. 166.

Quelle:
[Dumonchaux, Pierre-Joseph-Antoine] : Medicinische Anecdoten. 1. Theil, Frankfurt und Leipzig 1767 [Nachdruck München o. J.], S. 8-9.
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