V.

Wunderbare Gedächtniße.

[7] Es haben sich unterschiedliche Personen gerühmet, daß sie die Kunst erfunden hätten, das Gedächtnis auf eine besondere Art zu stärken; Muretus erzählet wirklich in einer Rede de quorundam admirabili memoria, daß ein junger Mensch aus der Insul Corsica das Geheimniß erfunden hätte, sein Gedächtniß erstaunlich zu stärken; Muretus wollte selbst eine Probe mit ihm davon machen. Er sagte diesem Insulaner eine ausserordentliche Menge griechischer, lateinischer und barbarischer[7] Wörter vor, welche keinen Verstand miteinander, und öfters gar keine Bedeutung hatten; die dieser junge Mensch augenblicklich wieder, holte ohne anzustossen noch inne zu halten, und zwar in der nämlichen Ordnung vom ersten bis zum lezten und wechselsweise wiederum von dem lezten bis zum ersten ohne ein Wort zu versetzen. Dieses war nur ein leichter Versuch seines Gedächtnisses; dann er behauptete, daß er deren sechs und dreysig tausend mit eben dieser Geschwindigkeit wieder hersagen wollte. Muretus befürchtet, da er diesen Umstand anführet, daß man ihn der Unwahrheit beschuldigen mögte, so unglaublich kam ihm diese Sache selbst vor.


Der Philosoph Seneca sagt von sich selbst, daß er bis auf zwey tausend nicht mit einander zusammenhängende Wörter in der nämlichen Ordnung wiederholet habe, wie man sie ihm vorgesaget hatte; und zwar ohne den Gebrauch eines künstlichen Mittels, sondern durch die blose natürliche Wirkung eines glücklichen Gedächtnisses.


In proemio Controv.

Quelle:
[Dumonchaux, Pierre-Joseph-Antoine] : Medicinische Anecdoten. 1. Theil, Frankfurt und Leipzig 1767 [Nachdruck München o. J.], S. 7-8.
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