LXXXV.

Ein Officier bringt es so weit, daß er endlich in einem finstern Gefängniß einige Gegenstände unterscheiden lernet.

[189] Ein Edelmann vom Verdienst, der sich bey der Armee Carls I. Königs von Engelland als Major eines Regiments befande, und sich durch den Sieg der unrechtmäßigen Besitznehmer gezwungen sahe, sein Glück ausser dem Königreich zu suchen, wagte es, seinem Fürsten einen Dienst von grosser Wichtigkeit auf eine solche Art zu leisten, die man in Spanien für ganz und gar unregelmässig hielte. Man bemächtigte sich seiner, und steckte ihn in ein Gefängniß, welches keine Fenster, sondern nur ein Loch in der Mauer hatte, durch welches man dem Gefangenen die nöthigen Lebensmittel zulangte, und solches nachher und zwar sehr sorgfältig wieder zumachte. Dieser Edelmann saß[189] einige Wochen lang ohne das mindeste zu sehen, in der grösten Finsterniß. Nachgehends aber schien er ein schwaches Licht zu sehen, daß sich von Tag zu Tag so sehr vermehrte, daß er endlich sein Bett, und andere Gegenstände von dergleichen Grösse entdecken konnte. Er brachte es endlich so weit, daß er auch kleine Gegenstände sehen konnte, er sahe z.E. die Ratzen, die die Krumen seines Brodes, die auf die Erde fielen, frassen, und bemerkte ihre Bewegung ganz deutlich. Er erzählte noch viele andere Wirkungen seines Gesichtes in diesem dunkeln Ort. Woraus zu ersehen ist, daß solches hauptsächlich davon herkame, daß die Werkzeuge seines Gesichts, weil sie so lang an einem finstern Ort blieben, erweichet wurden; weswegen sich dieser Officier auch nicht unterstunde, nachdem sich die Lage der Sachen geändert, und er seine Freyheit wieder erlanget hatte, sich so gleich dem hellen Tageslicht blos zu stellen, indem er befürchtete, daß er durch den gar zu lebendigen Glanz des Tageslichtes das Gesicht verlieren mögte; sondern glaubte, daß er seine Augen nach und nach dazu gewöhnen müsse. Herr Boyle, der diese Geschichte anführet, hatte solche aus dem Mund dieses Edelmanns erfahren.


Dissert. touchant les causes finales et naturales.

Quelle:
[Dumonchaux, Pierre-Joseph-Antoine] : Medicinische Anecdoten. 1. Theil, Frankfurt und Leipzig 1767 [Nachdruck München o. J.], S. 189-190.
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