CXLII. Brief

An Amalie

[185] Beruhige Dich, Theuerste, es ist weder Karln noch mir ein Unglük zugestossen; – ich bin ihm mit meinem Bruder[185] entgegen gefahren; dies war die Ursache meines Stillschweigens. – Nun ist er wieder an meiner Seite, der edle Jüngling! – Denke Dir die Seligkeiten unserer Wiedervereinigung; fühle sie, Malchen – denn beschreiben kann ich sie nicht! –

Doch izt zur Beantwortung deiner Briefe: – Ist es möglich, meine Liebste, daß man den ehrlichen Direktor N..., dessen Verdienste bekannt sind, daß man diesem Biedermann in W... so begegnen konnte? – Daß doch in der Welt so viel Unheil blos von den Weibern herrühren muß! – Besonders in kleinen Städten treiben sie jede lasterhafte Thorheit, um ihre Nebenmenschen zu unterdrükken. Wie gerne hätte ich Dich länger unter der Führung dieses gutgesinnten Direktors gesehen, wenn es das Schiksal gewollt hätte! –

Direktor K... ist gewis der Mann nicht, der Dich wird zu schäzzen wissen. – Er hat samt seiner Gesellschaft einen sehr übeln Ruf, spielte ehedessen in österreichischen Landen in hölzernen Buden, gab Zoten-Stükke, Hanswurstiaden, und überhaupt niedriges Possenspiel. Der größte Beweis seines unmoralischen Karakters ist die Duldung, womit er seinem Weibe alle Zügellosigkeiten erlaubt – und anderen verschrieenen Schauspielern Brod giebt. –

E..., samt ihrer lüderlichen Schwester B..., sind schon wegen ihrer niederträchtigen Aufführung in einer öffentlichen Monatschrift hinlänglich geschildert. – Es sind Kreaturen, an denen jede Besserung verloren ist, – folglich auch nicht der Mühe werth, daß wir uns länger mit ihnen aufhalten. –

Daß Madame K... blos für naive Mädchen- und Soubretten-Rollen gemacht ist, bestättigen mehrere gedrukte Theater-Rezensionen; folglich ist dein Urtheil unpartheiisch und richtig. – Glaubs wohl, meine theuerste Amalie! – Glaubs wohl! – daß Madame E... ihre Koketten-Rollen unverbesserlich[186] spielt. – Geübte Laster können ihre Natur nicht verläugnen. –

Madame P... war von jeher auf der Schaubühne eine Erz-Schleicherin, und noch nirgends gefiel sie.

Von der S... spreche ich gar nichts – weil es mich nicht der Mühe werth dünkt; – die ist unter der Kritik: schrieb mir lezthin ein Gelehrter aus St....!

Madame M... spielte doch sonst noch nicht viel. Als sie in M... war, sah man sie blos tanzen! – Wie kömmts, daß sie ihre Unwissenheit erst izt zu Markte trägt? – Ists Brodmangel – oder Eitelkeit? –

Auch Madame M... dürfte mit dem Ruhm, den sie als gute Tänzerin hat, zufrieden seyn, und sich nicht zum Gespötte machen. – Alle Schuld dieser Unordnung liegt indessen blos am Direktor. – Wäre er ein Mann, der die Wichtigkeit der Schauspielkunst verstünde, so würden es diese Weiber wohl bleiben lassen, ihre Nasen in Dinge zu stekken, die außer ihrer Bestimmung sind. – Ich kann die Gelassenheit des Publikums nicht genug bewundern, das sich um sein Geld so gerne äffen läßt. – Kaum kann ich den Augenblik deines Debüts erwarten! – Schreibe mir ja gleich, so bald sich dein Schiksal entschieden hat. –

Eben kömmt mein Karl dahergestürmt! – Verzeihe, Amalie, wenn ich aus den Armen der Freundschaft in die Arme der Liebe eile. –

Deine Fanny.

Quelle:
Marianne Ehrmann: Amalie. Band 1–2, [Bern] 1788, S. 185-187.
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