XXIX. Brief

[59] Daß doch der Schurke Holbaur mir alle Schlangenbiße des Schiksals zuerst mit vermertem Gifte hinterbringen muß! – – –

Um Gottes Barmherzigkeit willen Du bist eingesperrt, und schreibst es mir nicht! – – Warte gutherziger Lügner, Du sollst mir dafür büßen! – Schon war ich im Begriff in Dein Haus zu stürzen, und mit einem Mord-Gewehr mir den Weg dazu zu bahnen! – Wenn mich der sorgfältige Heuchler Holbaur und mein Mädchen nicht davon abgehalten hätten. – –[59]

Jezt bewacht mich Röschen und erlaubt mir kaum an Dich zu schreiben, weil sie Wahnsinn befürchtet. – Als ich von dieser Nachricht ausgetobt hatte, kam Schark und fand mich noch sinnlos! – Vermuthlich hat ihm Röschen eine andre Ursache vorgesagt, denn er gieng wieder fort, ohne sich viel um mich zu bekümmern, dabei that er aber auch sehr wohl, denn sein Anblik würde mich noch kränker machen.

Höre nun meine Unterredung mit Holbaur und urtheile von meinem damaligen Zustande. –


Holbaur.

(in sehr guter Laune.)

Guten Morgen schönes Weibchen! – Guten Morgen! – Warum so finster? – –


Ich.

(In sehr übler Laune.)

Damit Sie etwas zu fragen haben. –


Holbaur.

Glauben Sie, daß ich sonst keine Beschäftigung habe, als mich für mein gutes Herz hudeln zu laßen?


Ich.

Wenn Ihnen eine andere Beschäftigung mehr Vergnügen gemacht hätte, so wären Sie gewiß von mir weg geblieben. – Ihr gutes Herz kömmt mir gerade so vor, wie ein wurmichtes angefülltes Stük Fleisch, das einem Unglüklichen in der äußersten Noth zum Lekker-Bißen aufgedrungen wird. – –


Holbaur.

Sie sind doch heute gräßlich verstimmt! – Wißen Sie es etwa schon? – –


Ich.

Was soll ich wißen? – Was? – Sollten meine angstvollen Ahndungen. – – –


Holbaur.

Sie sollen hören, was mit ihrem G... vorgeht. – Aber ich kenne ihre Hizze, und will lieber schweigen. –
[60]

Ich.

Herr, Sie sind ein Abgesandter der Hölle! – Wenn Sie mich noch länger peinigen! – – Doch was brauche ich auch bei Ihnen um Nachricht zu betteln (aufspringend) Frizens Wohnung ist ja nicht ferne. – – –


(Hier lief ich zur Thüre, aber der Bube hielt mich zurük.)


Holbaur.

Gelaßen Madame! – Und mir keine ferneren Vorwürfe, oder Schark erfährt ihr ganzes Betragen! –


(Jezt fuhr mir Schauder durch den ganzen Leib, und die Furcht einer neuen Kabale machte mich zittern! –)


Ich.

(mit verbißnem Grame) Nun so reden Sie doch endlich, oder die Geschichte nimmt ein gräßliches Ende! –


Holbaur.

Sie haben sehr übel gethan, mich nicht zu ihrem beiderseitigen Vertrauten zu machen. – Doch zur Sache. – Freund G... sollte eine reiche Wechslers Tochter heirathen, und als er sich widersezte, sperrten ihn seine Eltern ein. –


Ich.

Jesus Maria! – Mein Friz eingekerkert! – Mein Friz, wie ein Mißethäter gefangen! – Und das wegen mir! – Gott! – – (häufig rollten hier meine Thränen.)


Holbaur.

Also auch so verliebt wie er? – – Ei! – Ei! – –


Ich.

Ja Plagteufel! – Ja! – Und damit Du siehst, daß ich Dich, und Deinesgleichen nicht fürchte ... (Ich wollte mich von Ihm loswinden, aber er war stärker.)


Holbaur.

Gelaßen Weib! – Oder Schark....


Ich.

Ha! – ha! – wie mir der eigennitzige Satan Moral predigt! – – Laß mich Kerl! laß mich! ....
[61]

Mein lautes Geschrei brachte die Hausleute und mein Mädchen ins Zimmer, der Heuchler gab mich für wahnsinnig aus, man bemächtigte sich meiner, ich sank in Ohnmacht, und als ich erwachte, war mein erstes Wort Friz! – Um Gotteswillen gebt mir meinen Friz!!! –

Mein Röschen hatte vom Doktor den Auftrag, mir sehr gelinde zu begegnen, das arme Mädchen zitterte, weil ein neuer Anfall sich meiner Sinnen bemeisterte! – – Ich bin jezt zum fernern Schreiben zu matt, ich kann Dir also blos noch sagen, Friz, um Deiner Nina willen sey standhaft, laß Dich nicht beugen! – Wenn Du anders meine Seligkeit nicht verscherzen willst!!! – Deine ewig, ewig

treue Nina.

Quelle:
Marianne Ehrmann: Nina’s Briefe an ihren Geliebten, [o. O. ] 1788, S. 59-62.
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