XL. Brief

[75] Liebe! – liebe Seele! – Ich drükke Dich heute millionenmal feuriger als sonst an mein Herz! – Liebe Dich, wenn es möglich wäre millionenmal heftiger als je! –

Und die Ursache? – Die sollst Du gleich hören. – Der elende überdrüßige Sünder Schark fängt nun an, den rasend Eifersüchtigen zu spielen, unser heutiges Nahebeisammensizzen, als er in's Zimmer trat, muß ihm aufgefallen seyn. – Und dann meine alberne Verlegenheit, als er mich so sehr in's Auge faßte. – –

O um alle Schäzze der Erden ich möchte und könnte keine Heuchlerinn werden! Mein ganzes Wesen kann sich bei der geringsten Kleinigkeit nicht verstellen, alles wird an mir zum Verräther. – Du kennst die Reinheit unserer Liebe, und doch zitterte ich über Scharks Gegenwart, der mich noch dazu schon so oft selbst hintergieng. –

Als Du fort warst, gab er mir einige spöttische Reden, ich nahm sie kalt auf, ob sie mich gleich wohl vor Aerger fast erstikten. – Blos um unsere Liebe nicht noch größerm Unheil auszusezzen, handelte ich klug. – Mit allem möglichen Troz brachte ich den Fühllosen doch nicht vom Halse, weil ihn andere Leidenschaften außer der Liebe an mich feßeln. – –

Doch sey ruhig, Lieber, Einziger, Beßter, sey ruhig, sonst richtest Du mich vollends zu Grunde, Deine Rache kann izt nichts nüzzen, ich will mich bald selbst so rächen, daß er es derbe fühlen soll.

Aber Friz, ich muß bald reisen, hörst Du, bald! – Auch auf Röschen ist er izt argwöhnisch, und die alte Baase scheint ihm beizustimmen. – Also behutsam! –[75] Laß Deine Vertrauten nie ohne Buch zu mir kommen, vertraue Dich keiner fremden Seele an, und komme izt immer frühe, oder Abends etwas später. –

O der Verworfne verdient wohl nicht, daß wir uns um ihn viel kümmern! – Aber blos um den einbilderischen Thoren nicht wütend zu machen, muß ich vorsichtig handeln, sonst bricht er aus Jähzorn los, geht zu Deinen Eltern, und dann haben wir von ihnen wieder neue Verfolgungen zu erwarten.

Gott im Himmel! – Kniefällig will ich Dir danken, wenn Du mir bald aus dieser vielfachen Kabale los hilfst! – – Lieber Friz! wir wollen uns izt noch ein Bischen Mäßigung unseres gerechten Zorns angewöhnen, wir sind es unserer beiderseitigen Gesundheit schuldig. – Wie gerne hätte ich Schark heute das Geständniß meiner Liebe gegen Dich bekannt gemacht, wie gerne hätte ich ihm gesagt: Ja Betrüger, Deine Laster sind izt zu meiner Glükseligkeit gerächt, ich bin es satt mich länger heimlich von Dir tretten zu laßen, ich habe gewählt, und bin glüklich! –

Aber bei diesem feurigen, unvorsichtigen Vorsaz sah ich meinen lieben Friz neben mir stehen, mich zurükhalten, und ich wurde wieder vernünftig. – Nach diesem Auftritt wollte ich ausgehen, aber er verhielt mir die Thüre, endlich gieng er, und das Vögelchen durfte fliegen aus den Händen des Despoten, der sich immer mit meiner Baase vereinigt, um mich zu kränken. –

Nun sizze ich wieder da, küße Dich, schäkkere mit Dir gerade, wie gestern Abends. – Morgen wird es wieder ein langer, langer Tag werden, weil ich Dich nicht sehen kann, willst Du nicht bei der Freundinn Sch... vorbei gehen, damit ich Dich doch von weitem sehen kann? – –

Laß Dich nicht beugen, Liebchen, sieh ich bin recht munter, aber fehlte auch die Gewißheit meiner Rettung,[76] o dann ... dann ... Friz, verzeihe mir, ich wollte etwas Grausames sagen! – Noch muß verborgner Gram in meinem Herzen liegen, aber Du wirst bald wieder Freude in dies blutende Herz bringen, und wäre es auch blos darum, weil mir der Niederträchtige die kleinen Unterstüzzungen, die er mehr meiner Baase gab, als mir, tagtäglich vorwirft.

Ha! – Bei Gott! – Ich möchte über mein Schiksal rasen!!! – O wenn mein Liebchen nicht wäre.... Du allein verscheuchst noch den wilden Gram aus meiner Seele, Du allein giebst mir Stärke zum Dulden. – Du holder Liebling meines Herzens, Du Guter, Vortrefflicher, Bester, Liebenswürdigster, sey ruhig, denn sieh, hier schwöre ich Dir, daß mich die blutigste Maßhandlung um Deinetwillen nicht einmal kränken soll. – Ewig, bey Gott dem Allmächtigen, bin ich Dein! – Dein! – Dein! – Auf ewig Dein Weib! –

Quelle:
Marianne Ehrmann: Nina’s Briefe an ihren Geliebten, [o. O. ] 1788, S. 75-77.
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