XLVI. Brief

[84] Endlich sind meine Ahndungen erfüllt, und der Erzbösewicht Holbaur hat uns bei Schark verrathen, folgende Unterredung wird Dich davon überzeugen.


Schark.

(Mit heimlicher Galle.)

Wie kömmt's Madame, daß Sie heute nicht ausgehen, Oder ist vielleicht die tägliche Zusammenkunft hier im Hause festgesezt? – –


Ich.

(erschrokken)

Zusammenkunft, was für eine Zusammenkunft? –
[84]

Schark.

Täubchen, stelle Dich nicht so unschuldig, Dein Gesicht verräth Dich! –


Ich.

(mich faßend.)

Freilich mein Herr, so weit habe ich es in der Verstellungskunst nicht gebracht, wie Sie, möchte es auch so weit nicht bringen; – denn ihre Laster....


Schark.

Donner und alle Wetter! – Was reden Sie da von Lastern? – Wollen Sie mich durch diese Beschuldigungen von meinem Verdacht abbringen? – – Es wird Ihnen nicht gelingen, ich bin zu gut von Ihrer heimlichen Intrigue mit dem jungen G... unterrichtet, und wagt er noch einen Besuch, dann nehme ich meine Rache an Ihnen. –


Ich.

Daran thun Sie sehr wohl, es ist immer leichter sich mit einem hülflosen Weibe herum zu balgen, als mit der Degenspizze eines ehrlichen Mannes. – Uebrigens haben Sie mir nichts zu verbieten, Sie sind mein Mann nicht. –


Schark.

Aber doch Ihr versprochner Bräutigam, die ganze Stadt ist Zeuge, und mehr brauche ich nicht um überall Recht zu finden. –


Ich.

Die Bande die Sie leichtsinnig zerrißen, kann eine ganze Welt mit all ihrem Reichthum nicht wieder knüpfen. – Mein Herz und meine Vernunft haben ihre eigne Rechte, was kümmert mich das Urtheil Anderer, ich wähle für mich....[85]


Schark.

Was, Unverschämte! – Was? Jemand andern wählen als mich? – Wer untersteht sich so etwas zu sagen? – Wer? – –


(Hier sprang er so wütend auf mich zu, als ob er mich erwürgen wollte, und lärmte so laut, daß ich um öffentliche Schande in der Rachbarschaft zu verhüten, nachgeben mußte.)


Siehst Du Friz, daß mit dem tollen, brutalen Burschen gar nichts anzufangen ist. – Sag selbst, wer möchte sich ihm widersezzen? – Und wenn ich es auch wagte, was würde es mich nüzzen? – Soll ich mich seinen Mißhandlungen blos geben, obrigkeitliche Hülfe anrufen und meinen guten Namen dabei in's Geschrei bringen? – Oder Deine Eltern durch solche Auftritte noch mehr in Harnisch jagen? – Da ist keine andere Rettung übrig, als meine Entfernung. –

Deine Nina. – –

Quelle:
Marianne Ehrmann: Nina’s Briefe an ihren Geliebten, [o. O. ] 1788, S. 84-86.
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