LIV. Brief

[97] Schwerlich, lieber Friz, wird sich der Schurke Holbaur wieder unterstehen mein Zimmer zu betretten; meine Hizze hat mich übermannt, ich habe ihm derb die Wahrheit gesagt, wie Du aus folgender Unterredung sehen wirst. – Nun mag er Galle speien der Elende, so viel er will, ich konnte mich unmöglich mäßigen....


Holbaur.

(Wie ein wahrer Wollüstling.) Guten Tag! – – Guten Tag, mein Engel! Wie gehts, wie befinden Sie sich? – –


Ich.

Dies brauchen Sie doch wohl nicht erst von mir zu erfahren, Scharks Vertrauter ist ja ohnehin von allem unterrichtet, was bei mir vorgeht. – –


Holbaur.

Wie so meine schöne Göttinn? – –
[97]

Ich.

Herr! – Ich verbitte mir diese vertrauliche Sprache. Uebrigens mögen Sie sich ihre Frage selbst beantworten, ich bin nicht gewohnt, Mannsleuten, die in Weiberrökken stekken, Vorwürfe zu machen. –


Holbaur.

Also wohl gar böse auf mich? – – Ei, ei, womit hätte ich mir denn dieses Unheil zugezogen? – – Hat vielleicht Schark seine Klappereien auf mich schieben wollen, wovon er der Urheber ist? – –


Ich.

Er, oder Sie, Sie, oder Er, das gilt mir gleich. Es ist immer schändlich, wenn sich Mannsleute mit Ohrenbläsereien abgeben. –


Holbaur.

Keine Regel ohne Ausnahme, nicht allzeit, meine Beßte, sind Warnungen Ohrenbläsereien; besonders wenn sie das Wohl eines Freundes betreffen. –


Ich.

Seit wenn sind Sie denn so gewißenhaft gegen Ihre Freunde geworden? – – Ist Schark ein unmündiger Knabe, daß Sie ihm mit teuflischer Bosheit Grillen einhauchen mußten? – – Was kümmert Sie meine Bekanntschaft mit G...? – –


Holbaur.

(Herausplazzend.) O sehr viel Madame! – Sehr viel kümmert mich Ihre Bekanntschaft mit G....! – (Sich wieder faßend.) Denn sehen Sie, der junge Mann taugt gar nicht für Sie, er wird Sie gewiß nicht heirathen, ich kenne die Verhältniße, worunter er schmachtet, und ich wette mein Leben, er muß seiner Familie nachgeben. – –
[98]

Ich.

O sagen Sie doch lieber: ich wünsche es, daß er seiner Familie nachgiebt; denn an Ihren Bemühungen fehlt es gewiß nicht, wenn er es nicht thut. – O ich kenne Ihre Sprache, die sich nach allen Tönen zu stimmen weiß! – –


Holbaur.

Aber mit Ihrer Erlaubniß, meine Schöne, doch immer mit Wahrheit und Aufrichtigkeit begleitet. – –


Ich.

Bei Gott! – Ich bin mehr vom Gegentheil überzeugt.


Holbaur.

Wie so? – Wie so? – – Sie würden doch Ihre schönen großen Augen stark aufreißen, wenn ich Ihnen jezt gleich mit der untrüglichsten Wahrheit versicherte, daß der junge G... mit einem überaus reizenden Mädchen in sehr engem Verständniß .....


Ich.

Nicht ausgeredt Verläumder! – Oder bei Gott, Sie sollen mich kennen lernen!!! –


Holbaur.

Schon wieder brausen? – – Ich – ich ... wollte ja nur sagen daß G... lezthin mit einigen Frauenzimmern sehr vertraut schäkkerte. –


Ich.

(Mit Wuth) Lügen! – Höllische Lügen sind das! – Ich kenne sein Herz, noch eine verdächtige Silbe von ihm, und ich werfe Ihnen alles an Kopf, was mir unter die Hände kömmt! – –


Holbaur.

Hu! – Hu, was Sie eifersüchtig sind! – Ist dann der alberne Junge auch so viel werth? – –
[99]

Ich.

(Ganz außer mir.) Elender, kein Wort weiter! – – Kein Wort weiter, das rathe ich Dir; und nun fort aus meinem Zimmer, niederträchtiger Ehren-Bandit! – – (Hier weigerte er sich mich zu verlaßen.) Dann griff ich Ihn rükwärts bei den Haaren und schleppte ihn bis zur Thüre, laut schreiend würde ich ihm bis über die Treppe gefolgt seyn; wenn mich nicht Röschen mit Gewalt zurück gehalten hätte. – Friz, ich bitte Dich um Gotteswillen, schaffe mir vor dem Kerl Ruhe, sonst vergreife ich mich noch an ihm! – Deine

Nina.

Quelle:
Marianne Ehrmann: Nina’s Briefe an ihren Geliebten, [o. O. ] 1788, S. 97-100.
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