LIII. Brief

[96] O Du herrlicher, herrlicher, lieber Friz! – – Was heute unser Umgang wieder so häufig abwechselte und sich in selige Unterhaltungen eintheilte, in Unterhaltungen, um die uns eine Welt beneiden würde, wenn sie Zeuge seyn könnte von den göttlichen Stunden, die wir durchleben. – –

Dank Dir, Guter, für Dein Gefühl, mit dem Du zu Hauße giengest und an mich schriebst, aus einem Herzen schriebst, worinnen Engelsgüte wohnt. –

Hier gebe ich Dir wieder eben so viele Küße zurück, sie kommen von Deiner Nina, die ihr Glük durch Deine Liebe zu tief fühlt, um es beschreiben zu können. – – O Du edelster, gutherzigster, anbetungswürdigster, junger Mann! – Um den mich Engel beneiden müßen, gewiß beneiden, Du übest Deine Wohlthaten im Stillen aus. O die gestrige gute Handlung, die Du vor meinen Augen unternahmst, hat Dir in meinem Herzen ein ewiges Denkmal errichtet! – Ha! – Du guter, guter Friz, laß mich an Deinem Busen aller anderer Menschen Bosheit vergeßen, die mich mein ganzes Leben hindurch so oft kränkte! – –[96]

Aber vergiß ja nicht über jede Stunde unsrer Unterhaltung nachzudenken und dabei ein Herz, wie das meinige, zu untersuchen, dessen Liebe ewig, ewig, nur für Dich glüht – Um diese Aufmerksamkeit bittet Dich Dein gutes Weibchen. – –

Gott segne unsre Liebe; schlaf wohl und sanft, theuerster, liebenswürdigster Gatte! – Träume alle Auftritte unserer Liebe wieder lebhaft zurück, die wir heute mit einander genoßen und theile dann Dein Entzükken in Gedanken mit Deiner

Nina.

Quelle:
Marianne Ehrmann: Nina’s Briefe an ihren Geliebten, [o. O. ] 1788, S. 96-97.
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