LVIII. Brief

[103] Trauter, als mich der gütige Schöpfer schuf, war Liebe und ihre Glükseligkeiten seine erste Gabe, die er mir mittheilte, und in die Seele hauchte. – Liebe empfand ich schon lange mit allem ihrem Kummer, aber ihre Glükseligkeit entfernte sich von mir, bis ich den Redlichsten, bis ich Dich kennen lernte. –

Du hast nicht Unrecht, wenn Du behauptest, daß ich noch nie so geliebt worden bin. – O Du Vortreflichster, laß mich mein Glük öffentlich ausschreien, laß meinem vollen, mit Wonne angefüllten Busen Luft, damit ich die Gefühle meiner seligsten Hofnungen hinsagen kann den eiskalten Geschöpfen, die meine Entzükkungen nur blos in der Ferne anstaunen dürfen! – –[103]

Dank Dir für den heutigen Tag, den ich wieder so ganz Liebe, an Deiner Seite hinbrachte. – Ich trug eine schwere Last im Herzen, als Du kamst, aber wie ein Engel des Trostes hobst Du mir sie weg und spieltest mich in eine Laune, die ich nicht um ein Königreich vertauscht hätte! –

O Du Guter, was Du nachgiebig und sanft seyn kannst, wenn Du nur willst. – Du hast zwar ganz Recht, daß Du nicht alle Tage so bist, sonst würde ich immer mit mir selbst hadern, daß ich Dein herrliches Betragen nicht erwiedern könnte. Heute war ich wieder in Deinen Armen so verloren im Taummel der reinsten Freude und auch so ganz ohne Furcht, ohne bange Ahndung, daß ich mich beinahe in einer andern Welt dünkte! – Gewiß unterhielten wir uns wieder herrlich! – Es war kein augenbliklicher Sinnenrausch, wie bei den meisten Liebenden, der uns entzükte, Vernunft, Seele, alles nährte sich dabei, und muß sich ewig dabei nähren. –

Nicht wahr lieber Friz, wir wollen immer so gut mit einander leben? – – So ganz Gutheit einander nachgeben, und verbannt sey nun auf ewig aus unsrem Umgang Deine Eifersucht, und meine zu starke Empfindsamkeit! – Nie sollst Du mich wieder so sehen, das verspreche ich Dir heilig.

Noch eins; Schark laurte schon am Fenster, als ich heute zu Hause kam, aber merkte nichts. – Gott gebe, daß Du Dich eben so heiter schlafen legest, als ich, dann bin ich glüklich. – Vielleicht träumst Du jezt, mit einer Pfeife Tobak im Munde, von mir? – Thust Du dies gewiß? – O ich fühle es, diese warme Ahndung strömt meinem Herzen zu, und bürgt mir für die Wahrheit meiner Vermuthung. – Gute Nacht! – Aller Segen des Himmels auf mein Liebchen! – Gute Nacht, sagt Deine

Nina.[104]

Quelle:
Marianne Ehrmann: Nina’s Briefe an ihren Geliebten, [o. O. ] 1788, S. 103-105.
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