Vorbericht

[3] Mein Weibchen sagt, ich solle ihr eine Vorrede zu den Briefen schreiben, die ich mit ihrer gütigen Erlaubnis hier dem Publikum vorlege. Nun ich will's gerne thun, denn was thut man nicht einem lieben Weibchen zu Gefallen! Aber ich weis in Wahrheit nicht, was ich schreiben soll.

Soll ich meinen Lesern sagen, daß alle diese Briefe wirklich originell und wahr sind? – Nun, daß möchte ich wohl, aber ich fürchte, man glaubt mir es nicht; sollte ich nun noch vollends hinzusezzen, daß ich der Friz bin, an welchen alle diese Briefe geschrieben sind, so würde man gar Zeter über meine Eitelkeit schreien.

Die Herren Kritiker mögen aber auch sagen, was sie wollen, es ist nun einmal so! Die Verfasserinn dieser Briefe ist meine liebe Gattinn, und hat diese Briefe, so wie sie hier stehen, an mich geschrieben![3] Lachen Sie nicht, meine wertheste Leser und Leserinnen, ich sage Ihnen die Wahrheit! –

Es mag Ihnen freilich etwas sonderbar vorkommen, daß der Ehemann die Briefe drukken läßt, die als Liebhaber von seiner nunmehrigen Gattin an ihn geschrieben worden sind; die Sache bleibt aber an sich selbst doch ganz natürlich! –

Ob diese Briefe wirklich auch für andre Leser den innern Werth besizzen, den Sie für mich haben, das kann ich nicht entscheiden! Ich lese sie als Ehemann noch mit den nämlichen Augen, mit welchen ich sie als Liebhaber las, und darum glaube ich auch, daß sie dem Publikum gefallen werden, so wenig empfindelnd sie auch sind.

Was übrigens gewisse Herren Kunstrichter und Kritikaster dazu sprechen werden, das soll mich und mein Weibchen wenig kümmern. Gefällt das Büchelchen, nun so kann ihr Tadel ohnehin nichts schaden, und daß es gefallen werde, das hoffe ich.


Der Herausgeber.[4]

Quelle:
Marianne Ehrmann: Nina’s Briefe an ihren Geliebten, [o. O. ] 1788, S. 3-5.
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