I.

Freies Feld. König mit Krone und Szepter und Narr treten rasch auf.


KÖNIG.

Nimmt denn die Erde kein End einmal!

Das Reisen ist mir schon ganz fatal.

Gibt's denn nichts Neues? kein Krieg, kein Kurier?

NARR.

Die Welt schmaucht ihr Pfeifchen beim Glase Bier.

KÖNIG.

Du wirst auch schon jetzo recht ennüyant,

Je mehr du kommst zu Jahren und Verstand.

NARR.

Das lohnte auch noch, ein Narr zu sein,

Pfuscht jeder mir ins Handwerk hinein.

Man hat nichts voraus mehr mit seinen Gaben,

Seit alle Narren Gewerbfreiheit haben.


Man hört einen Kanonenschuß in der Ferne.


KÖNIG.

Ha, Narr, sag' an, was ist das gewesen?

NARR.

Vaterlandsliebe und Gemeindewesen,

Sie können den Patriotismus nicht mehr halten,

Sie sahen vom Turme uns dort und knallten.

KÖNIG.

Wahrhaftig, schon wieder eine Stadt!

Ich wette, da gibt's wieder die alte Geschichte:

Weiße Mädchen und schwarzer Magistrat,

Gute Leute und schlechte Gedichte,

Entsetzlich Geschrei, das man Vivat nennt –

Man kann nicht treten vor Kompliment –

Das halt' der Teufel aus, Gott's Sapperment!

Da werf' ich von mir Kron', Szepter und Talar,

Will auch ein Mensch sein ganz und gar,

Laß' die Chausée gradaus immer laufen,

Will im Wald vom Regieren verschnaufen.

In diesen neuaquirierten Provinzen

Sah noch niemand weder König noch Prinzen,

Da sollen unschuldige Hirten

Ungekannt ihren Herren bewirten,

Ich will auf Erden

Um mein selbst geliebt und geehret werden,[37]

Incognito schneiden in zarte Rinden

Meinen Namen mit der Krone auf alle Linden,

Daß einst die künft'gen Geschlechter lesen:

Das ist ein philosophischer König gewesen!


Ab.


NARR.

Da ist er durch Strauch und Nesseln gebrochen,

Als hätt' ihn eine Bremse gestochen.

Hier liegt noch Kron', Szepter, das freut mich nicht wenig.

Macht er den Narren, so mach' ich den König.


Er schiebt Kron und Szepter in den Schubsack und singt.


O kluge, kluge Welt, wie fein

Deine Schellenkappe klinge,

Kluge Welt, sollst mein Hofnarr sein.

Fang' an deine lustigen Sprünge!


Ab.


Quelle:
Achim von Arnim: Das Loch. Berlin 1968, S. 37-38.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Das Incognito
Das Incognito

Buchempfehlung

Brachvogel, Albert Emil

Narziß. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Narziß. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Albert Brachvogel zeichnet in seinem Trauerspiel den Weg des schönen Sohnes des Flussgottes nach, der von beiden Geschlechtern umworben und begehrt wird, doch in seiner Selbstliebe allein seinem Spiegelbild verfällt.

68 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon