[804] Gemach in der Burg des Nikolaus von Renys. Später Abend. Der Burgwart mit Licht, und hinter ihm Renys, treten ein.
RENYS ein Fenster öffnend.
Es ist so schwül hier.
Herausblickend.
Eine wilde Nacht!
BURGWART.
Seid Ihr doch wieder da, nun laßt es toben!
Es schäumt und zittert Euer Roß, als hätt's
Unheimliches gesehen in der Nacht.
Seht, wie's da überm Walde blitzt!
RENYS.
Ich fürchte
Das kommt herauf. Wie steht's? das Geld, das neulich
Der Orden ausgeschrieben, ist's bezahlt?
BURGWART.
Ich sagt's Euch ja unmöglich schaffen wir's.
RENYS.
So schlage meine Falken los ich hab
Nicht Lust mehr an der Jagd.
BURGWART.
Ach gnäd'ger Herr,
Wo reicht' das!
RENYS heftig.
So verkauf die Roß dazu![804]
Dem Landesherren muß sein Recht geschehn!
Und nun geh schlafen, geh, laß mich allein!
Burgwart ab.
Schwert und Jagdgerät ablegend.
Elend, gebrechlich Ding, der Leib! wie 'n Gaul
Bricht er zusammen unterm Sporn der Seele,
Der kühnen Reiterin, die überwach
Nichts weiß von Nacht und Schlaf.
Er tritt an das Fenster.
Das war ein Blitzen!
Sieh doch und aus dem weiten, finstern Grund
Blickt die Marienburg in rotem Feuer
Vom Walde auf nun alles wieder finster.
Du zorn'ges, kühnes Element, kannst du
Gedanken lesen? Wie ein wilder Mahner
Ruft diese Nacht mit feur'gen Zungen: Schlaft nicht!
Er wirft das Fenster zu.
Still, still! Durch solcher Nächte Einsamkeit
Geht der Versucher
Es wird gepocht an der Tür, Renys fährt zusammen.
Horch, wer naht da draußen?
FRIEDRICH VON KINTHENAU vorsichtig eintretend und sich nach allen Seiten umsehend.
Bist du allein?
RENYS.
Du Kinthenau so spät!
KINTHENAU.
Ja fast zu spät, wenn Ritter sich die Zeit
Der Diebe stehlen müssen zum Gespräch.
RENYS.
Warum? auf offnem Markt steh ich dir Rede.
KINTHENAU.
Nun, jagtest eben doch wie toll im Walde,
Was fingst du draußen in der Nacht, als Grillen?
Nein, gib nur zu, du selber warst das Wild
Und hinter dir 'ne Meute von Gedanken,
Wie aufgescheuchter Eulen Schwarm, die gern
In solche Nacht mit leisem Flug sich stürzen.
RENYS.
Was ich gedacht, ist mein, solang ich schweige.
Doch weiß ich wohl, worauf du künstlich zielst,
Und leugn es nimmermehr so mich wie dich
Verdrießt des Plauen ungemeßnes Fordern.
Zum Himmel schreit die Not und mich erbarmt's
Des armen Volks.
KINTHENAU.
Zwei Schilling von der Mark,[805]
Und eine Mark von jeder Hube Herren,
Knecht', Bauern, Mägde, niemand ausgenommen,
's ist hart. Doch komm, laß uns ein wenig setzen,
Mir geht wohl andres noch im Kopf herum.
Sie setzen sich.
Du weißt, es gab einst schwere Zeiten hier,
Doch gnäd'ge Meister auch. In solcher Zeit
Empfing mein Ahn ein Darlehn von dem Orden
Ich mein, der deine auch?
RENYS.
Nun ja was soll's?
KINTHENAU.
Der Plauen fordert's jetzt zurück mit Zinsen.
RENYS nach einer kurzen Pause, finster.
Die Forderung ist klar, gerecht wenn auch
Die Zeit nicht eben schicklich jetzt.
KINTHENAU.
Drum kam ich,
Hier zu beraten mich, wie wir's erschwingen?
RENYS.
Wir? Mich hat keiner noch gemahnt.
KINTHENAU.
Noch nicht?
Tut nichts so kommt er morgen, übermorgen.
Traun, rätlich scheint's, die Schuld, die wuchernd wächst
Von Jahr zu Jahr, auf einmal abzutragen,
Bevor sie uns erdrückt.
RENYS.
Wie meinst du das?
KINTHENAU.
Gleichviel! Ich sehe, das Gespräch erhitzt dich.
So laß uns denn von andern Dingen reden.
Ich denk, es war vergangne Nacht, da träumt' mir
Gar wunderliches Ding, das mußt du hören:
Es war, als sei'n wir beide tief im Wald
Auf einer Jagd mit vielen Ordensrittern,
Und ruhten einsam aus in einem Tal.
Derweil war's Nacht geworden, und das Rauschen
Des Walds, das Rufen und der Rosse Schnauben
Verwirrt' sich rings, in immer engern Kreisen
Geht's um uns her erst laut, dann heimlich flüsternd
Bald da, bald dort bis wir mit Graun gewahrten,
Daß selber wir das Wild, das alle meinten.
Und als wir fliehn nun wollten durch die Nacht,
Die über uns in roten Blitzen spielte,
Da war von Felsen rings das Tal umgeben,
Seltsam' Gesichte schauten von den Wänden
Und immer näher rückt' die Traumesjagd.[806]
Am Ausgang aber aus den Felsenzacken
Saß da ein ries'ger Wächter, wie von Stein,
Das Haupt aufs Schwert gestützt, als ob er schliefe.
»Treff ich sein Haupt, so bricht der ganze Zauber«,
Sprachst du da leis und hobst die Hand gen Himmel
Mit ausgereckten Fingern wie zum Schwur.
Da zuckten Blitze fünffach, und in Flammen
Stand plötzlich deine Hand so drangst du gräßlich
Im Zorne vor, und wie du nach dem Schwert
Drauf faßtest, mit der feuersprühnden Hand
Den Riesen, der sich aufgericht', beleuchtend
Da war's der Plauen!
RENYS aufspringend.
Entsetzlicher, was willst du?
KINTHENAU sich gleichfalls erhebend.
Ich? Nun du weißt, ich halte viel auf Träume,
Ich wollt nur hören, wie du diesen deutest?
RENYS nach einer Pause.
Du gehst nicht frei und redlich mit mir um
Was habt ihr vor?
KINTHENAU.
Nun wahrlich, was sollt's geben?
Ich und dein Bruder Polkau, weißt du wohl,
Wir reden manchmal von des Landes Not.
Lauernd.
Du kennst den Polkau ja, toll wie er ist,
Der pflegt' gesprächsweis manchmal denn zu sagen:
Das Land sei längst bekehrt, das Volk sei wehrhaft,
Was braucht's der Meister noch? Das ist so sagt
Der Polkau nämlich auch das ist der Gang,
Der unabänderliche, der Natur,
Daß junger Wald gradaus zum Himmel wächst
Und aus den Wurzeln hebt die morschen Stämme,
Die ihm die freie Lebensluft verdüstern.
RENYS.
Geschwätz! unnütz Geschwätz!
KINTHENAU.
Das meint ich auch,
Und stellt ihm vor: der alte Wald sei noch
Nicht morsch genug, der junge noch zu grün.
Da sei ein übermächt'ger Stamm im Wege
Ja, wenn wir einen andern Meister hätten
RENYS.
Wüßt ich doch keinen bessern jetzt.
KINTHENAU.
Kennst du
Den Wirsberg wohl?[807]
RENYS.
Den buntgelaunten Fant?
KINTHENAU.
Just deshalb, Freund! Er liebt die Jagd, die Weiber,
Und schlüge Orden, Volk und Regiment
Nicht höher an, als wie ein fürstlich Spiel.
Solch einen Meister braucht das müde Land.
Wir wüchsen so im stillen fort erwehrten
Des Ordens wohl sowie der Polen uns,
Des einen durch den andern, und behielten
Die Arme frei.
RENYS.
In welches Labyrinth
Gefährlicher Gedanken führst du mich?
KINTHENAU rasch.
Ich führ dich auch hinaus, so du vertraust!
Was soll die Vorsicht noch! Vernimm denn, Renys:
Derweil ihr Wehe rieft in zorn'ger Ohnmacht,
Hab ich mit leisem Tritt den Leu umgarnt.
Meinst du, der Pole schlafe, weil er ruht?
Mit poln'schem Gelde warb ich heimlich Söldner,
Viertausend lauern, meinem Wink bereit
Es murrt das Volk, an ihren Ketten rütteln
Die Ordensritter die der Plau'n gekoppelt.
Und wunderbar fügt' sich's den Wirsberg treibt
Der Plauen selbst uns in die offnen Arme!
Du weißt der Meister drängt ihn hart um Argwohn,
Und den Landflücht'gen traf ich heut im Wald
Wüst und verstört inmitten unsrer Söldner.
Da half kein Leugnen, er durchschaute alles,
Ich sagt ihm unsern Plan und er schlug ein,
Und auf sein einsam Schloß zu Rehden will er
Die Söldner heimlich führen durch den Wald
Und Roß und Mann dort bergen, bis es Zeit.
RENYS.
Um Gott! was tatst du? er verrät uns!
KINTHENAU.
Tor!
Auch nicht ein Härchen an ihm, das nicht unser!
Das Söldnerheer, das er zu führen meint,
Soll ihn uns hüten auf dem eignen Schloß.
So laß es branden nur! den Leichtsten hebt
Die Woge über alle hoch, der spiele
Den Meister dann der Flut, die mit ihm spielt.
RENYS.
O Unglücksnacht hätt ich das nie gehört![808]
Mein ganzes Leben gäb ich um die Unschuld
Der vor'gen Stunde hin! Wie du's auch stellst,
Verwegner, 's ist doch Hochverrat! Wer kommt da!
EIN DIENER in der Tür den ihn aufhaltenden Burgwart zurückdrängend.
Fort, Alter! laß mich los! Und schliefe er
Den Todesschlaf, ich muß ich rüttl ihn auf!
Renys erblickend.
O gnäd'ger Herr!
RENYS.
Macht dich die Nacht auch rasend?!
DIENER.
O hätt ich das im Wahnsinn nur gesehen!
RENYS.
Du zitterst ja
KINTHENAU.
Zum Teufel! sprich, was bringst du?
DIENER zu Renys.
Herr Euer Bruder, Hanns von Polkau
RENYS.
Nun?
DIENER.
Er ward erschlagen heut!
RENYS in einen Stuhl sinkend.
Barmherziger Gott!
KINTHENAU.
Unmöglich! Unlängst ließ ich ihn im Walde
Sprich! wie begab sich die graunvolle Tat?
DIENER.
Er kehrt' vom Jagen heim es war schon dunkel
Und gleich am Tor frug er nach Fräulein Gertrud.
Darauf, in seiner heft'gen Art, entriß er
Dem Burgwart schnell das Windlicht, und zum Walde
Sahn wir ihn zornig schreiten. Wir nun auch
Rasch von den Rossen und mit Schwert und Fackeln
Dem Herren nach bis zu dem Tal am Waldbach
Oh, daß ich das erlebt! Erstochen lag er
Im Grase dort, das Fräulein neben ihm.
KINTHENAU.
Sie auch?
DIENER.
Tot? Nein.
KINTHENAU.
Sie lebt? was sagt sie aus?
DIENER.
Ohnmächtig fand man sie, und, wie aus Träumen,
Als wir umher so standen, hob sie langsam
Empor sich, nach dem toten Vater starrend,
Gleichwie ein Marmorbild im Kreis der Fackeln;
Drauf schaut' sie rings umher und schauert' heimlich.
Jetzt aber in der Halle, wo der Herr
Auf schwarzem Bett ruht beim Gesang der Priester,
Sitzt sie und weinet still, und will nicht sprechen!
KINTHENAU.
Und ließ der Mörder keine Spur zurück?[809]
DIENER.
Ein Ordensknecht
RENYS der bisher in sich versunken dagesessen, aufhorchend.
Vom Orden, sagtest du?
DIENER.
Nicht weit vom Platze wo der Mord geschehen,
Sahn kurz vorher wir einen ihrer Leute
Gebückt und heimlich durch die Büsche schleichen.
Was barg er sich? was hatt er da zu lauern?
Vergebens dann durchforschten wir den Wald,
Es hatt die falsche Nacht ihn längst verschlungen.
KINTHENAU.
So haben sie schon Witterung und Polkaun hat
Des Ordens unsichtbarer Arm getroffen!
RENYS sich plötzlich aufrichtend.
Nun rede keiner mehr von Vorsicht, Aufschub!
Unvorgesehen bricht das Schrecken ein,
Ich zagt, da sie den Bruder mir erschlugen!
Du stehst und sinnst auf Blut so rüttl den Schlaf auf!
Schrei: Mord! und laß des Aufruhrs Hunde los!
KINTHENAU.
Hast recht kein Augenblick ist zu verlieren!
Es jagt der Plauen heut im Wald bei Schaken
Und will zur Nacht heim nach dem Haupthaus.
So muß es heut geschehn er zieht allein,
Wir lagern uns im Wald dort muß er fallen!
Dann mit den Söldnerscharen, die bei Rehden
Der Wirsberg sammelt, auf Marienburg!
RENYS.
Mein Kopf ist wüst, ich tauge nicht zum Rat
Drum schwatze nicht, und führ mich rasch zur Tat!
Beide ab.
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