Der Schalk

[183] Läuten kaum die Maienglocken

Leise durch den lauen Wind,

Hebt ein Knabe froh erschrocken

Aus dem Grase sich geschwind,

Schüttelt in den Blütenflocken

Seine feinen blonden Locken,

Schelmisch sinnend wie ein Kind.


Und nun wehen Lerchenlieder,

Und es schlägt die Nachtigall,

Rauschend von den Bergen nieder

Kommt der kühle Wasserfall,

Rings im Walde bunt Gefieder: –

Frühling, Frühling ist es wieder

Und ein Jauchzen überall.


Und den Knaben hört man schwirren,

Goldne Fäden zart und lind

Durch die Lüfte künstlich wirren –

Und ein süßer Krieg beginnt:

Suchen, Fliehen, schmachtend Irren,

Bis sich alle hold verwirren. –

O beglücktes Labyrinth!


Quelle:
Joseph von Eichendorff: Werke., Bd. 1, München 1970 ff., S. 183.
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