Erwartung

[220] O schöne, bunte Vögel,

Wie singt ihr gar so hell!

O Wolken, luft'ge Segel,

Wohin so schnell, so schnell?


Ihr alle, ach, gemeinsam

Fliegt zu der Liebsten hin,[220]

Sagt ihr, wie ich hier einsam

Und voller Sorgen bin.


Im Walde steh und laur ich,

Verhallt ist jeder Laut,

Die Wipfel nur wehn schaurig,

O komm, du süße Braut!


Schon sinkt die dunkelfeuchte

Nacht rings auf Wald und Feld,

Des Mondes hohe Leuchte

Tritt in die stille Welt.


Wie schauert nun im Grunde

Der tiefsten Seele mich!

Wie öde ist die Runde

Und einsam ohne dich!


Was rauscht? – Sie naht von ferne! –

Nun, Wald, rausch von den Höhn,

Nun laß Mond, Nacht und Sterne

Nur auf- und untergehn!


Quelle:
Joseph von Eichendorff: Werke., Bd. 1, München 1970 ff., S. 220-221.
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