1. Gesang

[76] Der Zirkelschmied beim Schöpplein saß;

Jetzt, Schwanenwirth, füllt mir das große Glas,

Ich will den Herrn was erzählen,

's ist was für durstige Kehlen!


Heut Nacht war der Schwanenwirth, so begann

Der Zirkelschmied, ein gewaltiger Mann;

Mir träumte, er war der Noah -

"Will nit hoffen - Tohu wab - oha!"


Der Noah war er, und wohlbekannt

Als Schwanenwirth im Assyrerland,

Ich, auf des Herrn Försters Schimmel,

Ich war der Juppitter vom Himmel.


Alle Hagel! Ihr seid gut aufgeräumt,

Erzählt doch weiter, was Ihr geträumt.

Mach't nicht viel Federlesen,

Was ist denn der Förster gewesen?


Der Förster? Das ist den Herren klar,

Daß der des Schwanenwirths Hausknecht war,

So durft' er die Sündfluth erleben,

Nun höret, wie das sich begeben.
[76]

Gar oft ritt der Hergott der freundliche Greis

Am Schwanen vorüber und fragte: Was Neu's?

Gewöhnlich jedoch blieb er hängen,

Weil ihn die Geschäfte nicht drängen.


Da schmauchte mit Dem, der die Welt regiert,

Vortrefflichen Knaster der Schwanenwirth,

Und der Amtmann auch und der Helfer,

Und tranken Achter und Zwölfer.


Zumeist doch Achter, aus Sparsamkeit,

Des Beispiels wegen wie and're Leut.

Es gab noch keinen Burgunder -

War aufgespart für ein Wunder.


Wenn Ihr mir recht brav und recht fleißig bleibt,

Und immer so fort anständig kneipt,

Hat oft sich Gottvatter erboten,

Dann, Kinder, dann gibt's auch Rothen!


So ein Weinchen, göttlich! Ich bin nur noch

Mit dem Jahrgang nicht im Reinen, jedoch

Soll er verjüngen die Alten

Und jung die Jungen erhalten.


Nun hatte der Noah sechs Töchter im Haus,

Die sahen gar gütig und rothbackig aus,

Und waren gar fromm und anstellig,

Und Gott und den Menschen gefällig.


Der Alte war gnädig und schmunzelte oft,

Und kneift in die Backen sie unverhofft

Und fragte sie auch, wie sie heißen,

Und ob sie beim Küssen nit beißen?
[77]

Es hielten die Jungfern nicht viel auf Credit,

Drum bracht' er der Brävsten auch immer was mit,

Die that viel kochen und opfern -

Sie durfte die Pfeife ihm stopfen.


Quelle:
Ludwig Eichrodt: Lyrischer Kehraus. Lahr 1869, S. 76-78.
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