Wandern im Dahner Thal

[130] Wie lieb ich dich, o Dahner Thal,

Im alten Wasgenwald,

Wie bist du schön im Morgenstrahl,

Vom Vogelsang durchschallt!

Von deinen Höhen winkt ein Gruß,

Der zieht den Wandrer hin,

Weiß nicht, wie ihm geschieht, er muß

Durch diese Berge ziehn!


Da schaut vom Felsen hoch und schroff

Herab manch grauer Thurm,

Auf den umsonst die Wolke troff

Im kalten Nebelsturm.

Drin haußete ein kühn Geschlecht,

Heut ist es Moder nur,

Doch deine Jugendkraft ist ächt,

Unsterbliche Natur!


Windhauch wie süßer Odem weht

Zum düstern Rothelstein,

Der ist vor allen hocherhöht

Ins Himmelblau hinein.

Du rufst hinaus mit hellem Schall,

Hinaus ins Sonnenthal,

Da rufen euch die Berge all,

Die Berge sonder Zahl.
[131]

Erst tönt es hohl am Lindelbronn,

Das ist ein stolzes Schloß,

Dann klingt es feierlich, davon

Erwacht der Barbaroß.

Der ruht im Trifels ferne, fern,

Da ritt er hin bei Nacht,

Zum Haus, wo er den Tag so gern

Im Leben zugebracht.


Wohlauf, Genossen, wandern wir

Dahin mit Sang und Klang!

Frau Wirthin hat gut Wein und Bier,

Das wissen wir schon lang.

Zu Heidelberg im faulen Pelz

Ist nicht so traut Quartier,

Vorüber denn am Drachenfels,

Zum Trifels wandern wir!


Fürwahr, das ist ein Kaiserschloß!

Glüht purpurn himmelwärts!

Seht doch ins tiefste Erdgeschoß!

Dort saß der Löwenherz.

Schon dämmerts kühl, der Tag war lang,

Wir rasten hier zur Nacht!

Freund Blondel stimmt in unsern Sang

Getrost mit ein, gebt Acht!
[132]

Wie lieb ich dich, du holdes Thal,

Im alten Wasgenwald,

Wie bist du schön im Abendstrahl,

Vom Wandersang durchschallt!

Von allen Höhen winkt ein Gruß

Herab, hinaus zum Rhein,

O grüße wieder, trauter Fluß,

Blick auf im Vollmondschein!

Quelle:
Ludwig Eichrodt: Leben und Liebe, Frankfurt a.M. 1856, S. 130-133.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Auerbach, Berthold

Barfüßele

Barfüßele

Die Geschwister Amrei und Dami, Kinder eines armen Holzfällers, wachsen nach dem Tode der Eltern in getrennten Häusern eines Schwarzwalddorfes auf. Amrei wächst zu einem lebensfrohen und tüchtigen Mädchen heran, während Dami in Selbstmitleid vergeht und schließlich nach Amerika auswandert. Auf einer Hochzeit lernt Amrei einen reichen Bauernsohn kennen, dessen Frau sie schließlich wird und so ihren Bruder aus Amerika zurück auf den Hof holen kann. Die idyllische Dorfgeschichte ist sofort mit Erscheinen 1857 ein großer Erfolg. Der Roman erlebt über 40 Auflagen und wird in zahlreiche Sprachen übersetzt.

142 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon